Von hier an, Woody, sollte es nur noch aufwärts gehen.

„Wonder Wheel“ von Woody Allen

von Renate Wagner

Wonder Wheel
(USA / 2017)

Drehbuch und Regie: Woody Allen
Mit: Kate Winslet, Justin Timberlake, Juno Temple, James Belushi u.a.
 
Letzten Dezember ist Woody Allen 82 Jahre alt geworden, und von dem „ein Film pro Jahr“-Motto geht er schon lange nicht mehr ab. Wie viele Filme hat er schon gemacht? Kommt darauf an, wie man zählt – ob es nur jene sind, die er auch geschrieben und inszeniert hat, oder auch jene, in denen er „nur“ gespielt hat… wie immer, alles in allem sind es mehr als 60, er hinterläßt ein gewaltiges Werk. Ob es auch ein gewichtiges ist? Schon seit langem plätschert ein Woody-Allen-Film nach dem anderen unter dem Motto „belanglos“ und „weniger gelungen“ vorbei. Und mit „Wonder Wheel“ ist das leider nicht anders.
Woody Allen war immer am besten, wenn er das zeigte, was er am besten kannte und konnte – wie es im Kopf von jüdischen Intellektuellen mit ihrer spritzigen Argumentation und ihrem verdrehten Gefühlsleben zugeht. Da scheinen ihm schon lange die Ideen ausgegangen – jedenfalls zumindest seit er erkannt hat, dass er selbst zu alt ist, sich selbst (also seine „Woody Allen auf den Leib geschrieben“-Figuren) zu spielen. Die Ersatzmänner, die immer wieder in seinen späten Filmen auftauchen, haben es noch nie geschafft, ihm auch nur in die Nähe zu kommen.
 
Justin Timberlake als ambitionierter junger Schriftsteller Mickey Rubin, der zwecks Lebensunterhalt als Bademeister in Coney Island arbeitet, ist da besonders schwach – man glaubt seinem unschuldsvollen, ja törichten Gesicht kaum die intellektuellen Ausritte des belesenen und alles gewissenhaft hinterfragenden künftigen Dichters (wie leichtfüßig lustig hätte sich Woody früher über so eine Figur gemacht). Allerdings ist dieser Mickey ohnedies nur auf dümmlicher Ebene gefordert: die Liebesgeschichte mit einer älteren Frau, weil sie da ist (und weil er meint, das gehöre zu einem Dichterleben), die dann schnell abserviert wird, als die junge vollbusige Rivalin auftaucht…
Das alles spielt in Coney Island, rund um das „Wonder Wheel“, eine Art Riesenrad, das hier allerdings keine wirkliche Funktion hat. Tatsache ist nur, daß Woody Allen sich wieder einmal in die Welt der armen, primitiven Leute begeben hat – von der er nichts versteht und die ihn überhaupt nicht zu interessieren scheint. Vielleicht wirkt die abgestandene Geschichte der älteren Frau Ginny, die sich sinnlos in einen jungen Mann verliebt, deshalb so öde. Und das trotz Kate Winslet.
Sie hat angeblich gezögert, die Rolle zu übernehmen, und hätte damit guten Instinkt bewiesen. Was spielt sie da? Eine ehemalige Schauspielerin, die es vermutlich zu gar nichts je gebracht hat und jetzt mit einem alternden, brutalen Mann verheiratet ist (was James Belushi hier zusammenschmiert, ist drittklassig). Das Drehbuch hat ihr – vermutlich hat sie das geahnt – außer üblichen Eifersuchtsszenen nichts zu bieten, und die Schlußszene, wo sie sich als Südstaaten-Schönheit verkleidet und überschnappt (ach, Tennessee Williams) ist nicht einmal von ihr zu erspielen.
 
Also, sie verliebt sich in Mickey Rubin und wird immer leidenschaftlicher, und dann taucht die Konkurrenz auf: Carolina (sexy, aber als Persönlichkeit unbedeutend: Juno Temple), die Tochter des Gatten aus früherer Ehe. Sie hat sich mit dem Mob eingelassen und ist auf der Flucht. Für Ginny ist sie ein Grund einer sich dauernd steigernden Eifersucht, bevor ihr noch klar wird, daß ausgerechnet Carolina die Rivalin ist, an die sie Mickey prompt verliert.
Ja, und dann? Katastrophe, wobei Woodys Drehbuch absolut nicht klar macht, ob Ginny Carolina an den Mob verrät (man weiß auch nicht wirklich, wie sie das hätte machen sollen) – aber jedenfalls ist diese eines Nachts verschwunden.
Der Rest ist Heulen und Zähneknirschen, vorhersehbare Handlung, die sich mühsam weiter schleppt, extrem schwache, schlechte, steife, künstliche Dialoge, durchsetzt von Coney Island-Bilder, die ja so reizvoll ja auch wieder nicht sind… und „Back to the Fifties“ als Milieu kann ja auch nicht grenzenlos verkauft werden. Nichts, was man als Erkenntnis, als Amüsement oder auch nur als bemerkenswerte Darsteller-Leistung mitnehmen könnte. Von hier an, Woody, sollte es nur noch aufwärts gehen.
 
Übrigens: Als ob der Film nicht schon genügend Kummer akkumulierte – Ginny hat aus eigener früherer Ehe noch einen kleinen Sohn, den sie durchs Leben schleppt, und der leider ein Pyromane ist und bei jeder Gelegenheit, etwas anzündet (auch im Papierkorb des Psychiaters, der ihn deshalb behandeln soll). Und das ist auch das Schlußbild des Films: Der Junge entzündet ein Feuer am Strand. Da man weiß, daß viele spätere Serienmörder in der Kindheit diese Gewohnheit hatten – bereitet uns Woody auf die nächste Tragödie vor? Das doch lieber nicht…
 
Trailer    
 
Renate Wagner