Ein amüsantes, kluges Lehrstück

„Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“ von Peter Weiss

von Frank Becker

v.l.: Stefan Otto, Andreas Mucke - Foto © Thorsten Strauch

„Wie dem Herrn Mockinpott
das Leiden ausgetrieben wird“

von Peter Weiss (UA 1968)


Leitung: Hans Werner Otto - Filmarbeiten: Uwe Schorn - Musik, Geräusche: Barbara Jansen - Ausstattung: Wolfgang Morhenn – Licht, Ton: Haustechnik des Theaters am Engelsgarten – Komposition: Hartmut Klug
 
Mit: Stefan Otto (Herr Mockinpott), Andreas Mucke (Herr Wurst), Hans Werner Otto (Büttel, Arzt, Gott), Thorsten Strauch (Conférencier, Amtmann, Arzt, Liebhaber, Arbeiter), Sabine Happe (Frau Advokat, Frau Mockinpott, Arzthelferin)
und: Matthias Jung (am Klavier) - sowie Sänger des Wuppertaler Chores ›amici del canto‹ (Anna Cron, Christa Kosin, Eckhard Simon) mit Kompositionen von Hartmut Klug
 
Herr Mockinpott (Stefan Otto), durchaus liebenswert und bemüht, jedoch von der harschen Gattin (Sabine Happe) nicht unbedingt anerkannt, wird auf der

v.l.: Stefan Otto, Andreas Mucke - Foto © Thorsten Strauch
Straße mit offensichtlicher Willkür festgenommen und ohne Anklage ins Gefängnis gesperrt. Wir werden durch einen eingespielten Film (Uwe Schorn) Zeugen des einen wie des anderen. Letzteres erinnert fatal ans aktuelle Geschehen am Bosporus, aber auch an die 80 Jahre zurück liegende düstere deutsche Vergangenheit. Damit wir das turbulente Geschehen auch in der Folge zwischen den szenischen Schnitten nicht aus den Augen verlieren, gibt es weitere verbindende Filmsequenzen, gleichermaßen projizierte wie sehr schön gesungene Zwischentexte (Sänger des Wuppertaler Chores ›amici del canto‹: Anna Cron, Christa Kosin, Eckhard Simon) zu Kompositionen von Hartmut Klug - sowie einen Coférencier (Thorsten Strauch) der uns zudem erzählerisch auf dem Laufenden hält.
Peter Weiss hat seine Hanswurstiade „Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“ in den frühen 1960er Jahren unter den Eindruck reaktionärer politischer Tendenzen in der jungen Bundesrepublik geschrieben. Uraufgeführt wurde das gleichermaßen witzige wie ernstzunehmende Stück 1968, als die  Studentenseele überkochte, den Muff aus den Talaren blies und (West)Deutschland eine kleine Revolution bescherte.
 
Herr Mockinpott sitzt nun also unschuldig im Gefängnis, während seine Frau sich einen Liebhaber (Thorsten Strauch) ins Haus holt. Gegen erhebliches Schmiergeld von einer Anwältin (Sabine Happe) freigekauft, trifft Mockinpott vor dem Gefängnis Herrn Wurst (Andreas Mucke), mit dem ihn fortan eine Schicksalsgemeinschaft verbindet. Zwei aneinander vorbei redende und denkende Männer, wie sie auch von Samuel Beckett hätten erdacht worden sein können, zwei redliche Dummköpfe wie Dick & Doof, Pat und Patachon, Ernie und Bert. Vergeblich versucht Mockinpott, wieder in sein vorheriges Leben zu finden. Seine Frau hat sich einen Liebhaber ins Haus geholt, seine Arbeit hat er verloren. Dennoch möchte er hartnäckig erfahren, warum man ihn überhaupt ins Gefängnis geworfen hat, erhält aber - wie Kafkas Josef K. im „Prozeß“ - keine Antwort; nicht von der Justiz (Ensemble), von der das übliche Blablabla lallenden Regierung (Ensemble), trotz gewagter Hirn- und Herzoperation auch nicht von der Medizin (Hans Werner Otto, Thorsten Strauch) und schon gar nicht von Gott (Hans Werner Otto). Sein steter Begleiter allerdings stellt sich überhaupt keine Fragen, ihm ist alles wurst, deshalb heißt er ja auch so (s.o.): Herr Wurst.
 
Hans Werner Otto hat „Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“ mit sichtlichem Vergnügen am Grotesken, an Slapstick und Screwball und mit Verneigung vor den Farcen Feydeaus und Frayns inszeniert. Das klappt und läuft dank einem vergnügt aufspielenden bewährten Ensemble und nicht zuletzt dank der punktgenau funktionierenden Geräuschkulisse (Barbara Jansen) sowie der Haustechnik des gastgebenden Theaters am Engelsgarten wie ein Maschinchen. Der Plan von Peter Weiss geht auf, diese Hanswurstiade eines gequälten Mannes, der es nicht unterlassen kann, sich und seine Welt zu be- und hinterfragen, zu einem amüsanten, wenngleich klugen Lehrstück zu machen.
 
Die drei noch folgenden Vorstellungen möchten wir Ihnen empfehlen:
22. Dezember 2017 (heute), 19.30 Uhr, Theater am Engelsgarten
16. Januar 2018, 20.00 Uhr, Atelier des TiC-Theaters
17. Januar 2018, 20.00 Uhr, Atelier des TiC-Theaters