Und doch – das Ganze ist spannend.

„Tiere“ von Greg Zglinski

von Renate Wagner

Tiere
(Schweiz/Österreich 2017)

Regie: Greg Zglinski
Mit: Birgit Minichmayr, Philipp Hochmair, Mona Petri, Michael Ostrowski, Mehdi Nebbou u.a.
 
Selten haben so viele Kritiker – nicht irgendwelche, sondern von hochkarätigen Zeitungen – eingestanden, einen Film nicht durchschaut zu haben. Sich nicht auszukennen. Was der Regisseur wollte… Und wenn er genau das wollte? Das wäre nämlich die einzige „Lösung“, auf die man im Zusammenhang mit „Tiere“ kommt. Das ist übrigens, es sei gleich gesagt, ein wirklich spannender Film. Ein Psychothriller. Ohne Lösung.
Was ins Absurde und Rätselhafte abgleitet, muß „normal“ beginnen, sonst funktioniert es nicht. Also – er ist Koch (Philipp Hochmair als Nick segelt gleich zu Beginn mit hoher Kochmütze durch ein Restaurant), sie ist Autorin (Birgit Minichmayr als Anna durchgehend mit einer Verkniffenheit, die von ihrem inneren Unbehagen erzählt). Daß er sie betrügt, ist für niemanden ein Geheimnis – mit Andrea aus dem dritten Stock? Oder mit Mischa, die quasi engagiert wird, um als „Wohnung-Sitterin“ zu fungieren?
Nick und Anna wollen nämlich zwecks Ehe-Heilungs-Urlaub einen Szenenwechsel, ein Haus an einem Schweizer See mieten, er Schweizer Rezepte erforschen, sie einen „erwachsenen“ Roman schreiben, bisher waren es Kinderbücher. Die Geschichte begleitet die beiden auf ihrer Reise.
Daneben aber läuft immer wieder die Handlung im heimatlichen Wien – dabei werden Andrea und Mischa (und später eine Schweizer Kellnerin) von derselben Schauspielerin (Mona Petri) gespielt. Und die Handlung, die sich um sie rankt, ist undurchsichtig bis zum Exzess. Gab es einen Selbstmord? Einen Unfall? Da ist der Blumenhändler, der Andrea rabiat nachsteigt (Michael Ostrowski ohne sein übliches Geblödel), da ist der Arzt, der – ja welche der Damen? – im Spital kennen lernt (Mehdi Nebbou) und mit ihr ein Verhältnis beginnt. Ist diese Geschichte nur (am Ende gibt es eine Andeutung, die Idee einer Möglichkeit) Erfindung, die Handlung von Annas Roman? Aber wenn sie real ist – was hat sie letztlich mit unserem Paar zu tun? Es ist eindeutig der weniger interessante Teil des Films, tatsächlich könnte man fast darauf verzichten. Nicht hingegen auf Anna und Nick.
Um diese geht es hauptsächlich. Nachdem sie auf einer Schweizer Landstraße ein Schaf überfahren haben und Anna ein paar Stunden im Spital war, geraten die Wahrnehmungen aus den Fugen. Nicht nur, daß Nick auch hier auf sexuelle Abwege geht – Anna weiß nicht mehr, wie viel Zeit vergangen ist; die spricht mit einem großohrigen, gespenstischen schwarzen Kater; sie sieht sich selbst zu, verdoppelt sich. Und auch Nick spricht mit ihr, wie er glaubt, und spricht ins Leere…
Ja, und am Ende, ja, da ist einer von beiden tot. Und Regisseur Greg Zglinski, der alles gewissermaßen selbstverständlich erzählt (so ist es – das „Ist es so?“ denkt man sich selbst) hat uns keine wohlfeile Lösung geliefert, ein bißchen Geisteskrankheit vielleicht oder lieber die Krimi-Verstrickung, daß jemand in den Wahn getrieben werden soll? Und… und… und… Fragen über Fragen (nicht zuletzt: Wenn Tiere sprechen, in welcher Art von Welt, in welcher Art von Film befindet man sich?). Das Drehbuch (nach dem Roman des mittlerweile verstorbenen Jörg Kalt) lächelt sich eins und spinnt sich in seine Absurdität ein.
Und doch – das Ganze ist wirklich spannend. Auch wenn man weiß, daß es zu nicht führt, was mit den Gesetzen der Logik zu fassen ist, sieht man diesem Paar unglaublich gespannt zu. Das sind starke Schauspieler, die eine unglaubliche Chemie miteinander entwickeln, zusammen, gegen einander. Man will immer wissen, wie es weitergeht. Bis es nicht mehr weitergeht. Auch dann ist man nicht böse: Können starke Geschichten nicht einfach an sich, in sich interessant sein?
 
Trailer    
 
Renate Wagner