Am Ende weiß man nur, daß man selten so viele Prügeleien am Stück gesehen hat…

„Atomic Blonde“ von David Leitch

von Renate Wagner

Atomic Blonde
(USA 2017)

Regie: David Leitch
Mit: Charlize Theron, James McAvoy, Sofia Boutella, John Goodman, Toby Jones, Eddie Marsan, Barbara Sukowa, Til Schweiger u.a.
 
Filme, die im Agentenmilieu spielen, sind meist sehr chic und stylish, und ehrlich, so mögen wir sie auch. Schade, daß die Dame mit der ach so blonden Perücke, daß sie nur „Atomic Blonde“ heißen kann, es so schwer hat. Nun, seit John le Carré wissen wir, daß es keinen besseren Hintergrund für trickreiches, spannendes, verwirrendes Wechseln zwischen Ost und West gibt, als das geteilte Berlin vor der Wende. Dort ist die Geschichte angesiedelt – und sie ist so schmutzig und brutal, so voll von Aggression und Einander-Totprügeln, daß man als Zuschauer kaum zum Atemholen kommt…
Die Rahmenhandlung zeigt Agentin „Atomic Blonde“ im Verhör durch die eigenen Leute – die Briten, die auch einen CIA-Mann an der Seite haben. Und die grillen die Dame ganz schön mit ihren Fragen, weil offenbar undurchsichtig ist (und offen gestanden auch bleibt), was sich da in Berlin 1989 abgespielt hat. Vertrauen kann man hier niemandem, das bekommt der Zuschauer schnell mit. Jeder verdächtigt den anderen, eigentlich ein Doppelagent zu sein. Aber wer ist es? Erst ganz gegen das Ende zu hat man dann eine gute Ahnung – aber ist es auch so?
 
Fest steht, daß das MI 6 (sonst für James Bond zuständig) in Berlin einen Agenten verloren hat – und mit ihm eine Liste aller tätigen Doppelagenten. Lorraine Broughton wird ausgeschickt, den Fall zu klären, findet aber in David Percival als Berliner Kontaktmann einen nicht gerade vertrauenswürdigen Partner. Wie so oft bei dieser Art von Filmen schaut man durch die Handlung nicht wirklich durch – man merkt nur, daß das knallharte Agenten-Blondinchen es auch lesbisch liebt und bekommt ein paar ganz deutliche Szenen davon.
Der Rest des Films, der Berlin als wahrlich schmutzigen, gefährlichen und grausamen Ort zeigt, wo der KGB auch dauernd mitmischt und seine Killer schickt, scheint davon zu leben, daß der Regisseur David Leitch ursprünglich als Stuntman tätig war: Er weiß, wie man Kämpfe, Prügeleien, Verfolgungsjagden, knochenbrechende Stürze über Treppen und dergleichen inszeniert, und er tut es mit einer Unaufhörlichkeit, daß kaum Zeit für die Handlung bleibt. Daß zumindest unsere Heldin immer überlebt, mag auf die Vorlage der Story zurückgehen – das war eine Graphic Novel, und Figuren aus dieser Welt sind bekanntlich unzerstörbar. So wirkt auch hier vieles geradezu choreographiert und stilisiert – aber glauben soll und muß man ja ohnedies nichts. Das ist blankes Entertainment, wenn auch auf die ganz harte Tour.
Darüber hinaus punktet das Milieu des Films, das (auch wenn er großteils in Budapest gedreht wurde) ungemein „echt“ schmeckt, optisch und auch akustisch, back to the Eighties. Außerdem werden ein paar starke Leistungen geboten, voran die Hauptdarstellerin: Man weiß, daß Charlize Theron gern vieles ausprobiert, und diese Action-Heldin (da war ja Angelina Jolie in „Salt“ noch harmlos) hat es in sich. Dafür muß man schon diesen Körper, diese Ausstrahlung, diesen Einsatz und diese Überzeugungskraft bieten, daß man einer solch rabiaten Dame durchs Geschehen folgt… Wenn sie übrigens ganz am Ende mit pechschwarzer Perücke kommt, ist sie noch einen Tick attraktiver: Auch ihr Aussehen ist natürlich ein Pluspunkt für das Ganze.
 
In den Verhörszenen als Rahmenhandlung sitzen ihr für die Briten der kleine Toby Jones und für die Amerikaner ein zerknitterter, bösartiger und hintergründiger John Goodman gegenüber, dem man nicht mehr ansieht, daß er einst ein liebenswürdiger Lustspielstar des amerikanischen Unterhaltungskinos war. Tempi passati. Auch James McAvoy als ebenso versoffener wie tückischer Agent, aus dem man nicht schlau wird, fährt hier ganz auf der „interessantes Image“-Linie, ob er dem Publikum gefällt, ist ihm wohl egal.
So, wie Sofia Boutella (ja, das ist die aus der „Mumie“ mit Tom Cruise!), auch sie so zwielichtig wie nur möglich, auf die Atomic Blonde zuschnurrt und -gurrt, versteht man, daß die beiden im Bett landen. Ganz witzig gibt Eddie Marsan einen ostdeutschen Spion, der alle Daten auswendig kann und quasi als lebender „Chip“ behütet werden soll – was nicht ganz gelingt. In einer Szene (im Leichenschauhaus) ist Barbara Sukowa, ganz ostdeutsche Unfreundlichkeit, zu sehen, ein paar Szenen hat Til Schweiger als „mysteriöser“, Infos verkaufender Uhrmacher, der (Schweiger) noch nie (also auch hier nicht) davon zu überzeugen mochte, daß er ein glaubwürdiger Schauspieler ist.
Am Ende gibt es dann, neben der schwarzen Perücke, offenbar die ultimative Pointe. Aber in Filmen dieser Art ist nichts so, wie man glaubt. Sicher weiß man am Ende nur, daß man selten so viele Prügeleien am Stück gesehen hat…
 
 
 
Renate Wagner