Beckfelds Briefe

An Helene Fischer

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Helene Fischer ist die Königin der leichten Unterhaltung. Alle Fernsehsender reißen sich um die Sängerin, Entertainerin und Moderatorin, die in 2013 riesige Stadien füllt.
 
Liebe Helene Fischer,
 
die Geschichte Ihrer Familie liest sich wie ein Märchen, und Sie spielen die Prinzessin, die ihr Musikvolk verzückt und mit Florian Silbereisen ihren Prinzen wohl schon gefunden hat. Ihre Eltern sind Wolgadeutsche, die Russen deportierten sie 1941 nach Sibirien. Sie wurden in Krasnojarsk geboren, 4100 Kilometer hinter Moskau, in einer schäbigen Industriestadt, in der vor dem Zweiten Weltkrieg 40.000 und heute fast eine Million Menschen leben. Sibirien, das ist für mich unendlicher Winter und Eiszeit, Kälte und neben sterilen Wohnsilos ganz viel einsame Landschaft, durch die sich die transsibirische Eisenbahn quält auf dem Weg nach China. Sie waren vier Jahre alt, als Ihre Familie nach Deutschland kam, sie zogen von der Beton-Metropole Krasnojarsk in das beschauliche Dorf Wöllstein in Hessen.
Irgendwann schickte Ihre Mutter Maria eine Demo-CD an eine Künstleragentur. Es war der Beginn einer einzigartigen Karriere. Als mittlerweile erfolgreichste deutsche Sängerin und beliebte Entertainerin könnten Sie sich längst die Villa in der Schloßallee leisten, die Sie in Ihrem Schlager gar nicht brauchen. Ihre CDs stürmen die Charts, Sie sammeln wie selbstverständlich Musikpreise, eroberten die Krone der Volksmusik, verzauberten Ihre Fans zum Jahresende auf allen öffentlich-rechtlichen Kanälen. Mit einer eigenen Weihnachtsshow in der ARD, auf dem ZDF-Traumschiff als Schauspielerin - und überall machen Sie eine gute Figur. Stets sexy gekleidet, perfekt gestylt, natürlich, erfrischend spontan, frech, bodenständig, ehrlich und mutig. Trotz Höhenangst schweben Sie in Shows vom Hallendach, spielten völlig unbekümmert, aber mit Talent die Reiseleiterin Franziska an Bord der »MS Deutschlancl«. Und haben in diesem Jahr das Ziel, die Schalker Arena mit 60.000 Besuchern zu füllen. Die Frauen mögen Sie, weil Sie eine von ihnen sind. Eine Frau, die Fehler zugibt, die sich in der wenigen Freizeit am liebsten in Joggingklamotten auf dem Sofa fläzt und verrät, daß sie nach dem Kochen in der Küche ein Chaos hinterläßt. Und die trotz des Mega-Erfolges bescheiden, fast demütig bleibt. Bei Ihnen wirkt es nicht gekünstelt, wenn Sie den Musikern oder dem Publikum danken und erklären, daß Sie das Lied „Wäre heute mein letzter Tag“ wirklich Ihrem Liebsten gewidmet haben.
 
Liebe Helene Fischer,
mit 28 haben Sie mehr Erfahrung als viele Berufskolleginnen im Rentenalter. Sie sind die Königin der leichten Unterhaltung, mit einem Hauch russischer Schwermut. Sie sind so beliebt, weil Sie uns und sich nichts vormachen. Die heile Glitzerwelt gibt es nur auf der Bühne. Im wahren Leben gibt es auch die Badstraße und Krasnojarsk, 4100 Kilometer hinter Moskau.

(12.01.2013)
 
 
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker