Auf moderate Art interessant

„The Salesman“ von Asghar Farhadi

von Renate Wagner

The Salesman
Forushande
(Iran – 2016)

Regie: Asghar Farhadi
Mit: Shahab Hosseini, Taraneh Alidoosti u.a.
 
Filme aus Asien (wenn es nicht Hongkong-Action ist) finden hierzulande im allgemeinen nur ein spezielles Arthouse-Publikum. Wenn man es allerdings mit dem Streifen zu tun hat, der den „Oscar“ für den besten ausländischen Film erhalten hat, wird das Interesse vermutlich steigen. Auch wenn böse Mäuler sofort spekuliert haben (vor allem die „Toni Erdmann“-Verlierer äußerten sich dementsprechend), daß der „Oscar“ nur als Anti-Trump-Demonstration zu werten gewesen sei, da der Iran schließlich zu den Ländern gehört, deren Bürger man in die USA nicht mehr einreisen lassen will…
Wie dem auch sei, der „Salesman“ hat den „Oscar“, der Regisseur Asghar Farhadi ist schließlich kein Neuling und hat bereits vor fünf Jahren mit dem Film „Nader und Simin – Eine Trennung“ den Auslands-„Oscar“ gewonnen. Und der „Kaufmann“ des Titels bezieht sich auch auf einen eng in die Handlung verwobenen Strang: Da wird nämlich in Teheran von Laien Arthur Millers „Der Tod des Handlungsreisenden“ aufgeführt. Nein, man ist im Iran nicht ausschließlich im Kokon der eigenen Welt eingesponnen, man blickt auch darüber hinaus.
 
Man hat es als Zuschauer nicht leicht, wenn man die Farsi-Fassung des Films mit Untertiteln erwischt (gibt es überhaupt eine deutsche Synchronisation?) Man lernt also das junge, kinderlose Paar Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti) kennen, er Literaturprofessor, sie Ehefrau, beide bei einer Theatergruppe. Das Alltagsleben, das vermittelt wird, ist eher bescheiden, in unseren Augen ein wenig schäbig – was wissen wir schon vom Leben durchschnittlicher Menschen in Teheran? Zumal versinkt das Haus, in dem sie wohnen, und sie müssen froh sein, daß ein Kollege von der Theatergruppe eine neue Wohnung für sie weiß…
In der Folge geht es um die doppelte Moral einer Gesellschaft, die ihre Frauen wegsperrt und ihnen für alles, was geschieht, die Schuld zuschreibt, den Männern hingegen neben ihren Ehen durchaus Freiheiten gestattet werden. So wird Rana, als sie ihren Mann erwartet und die Türe der neuen Wohnung aufmacht, Opfer einer Vergewaltigung (das heißt, der Gatte findet sie blutend im Bad, was genau passiert ist, zeigt der Film nicht).
Statt des Aufbegehrens erlebt die gänzlich unschuldige Rana nur Scham und will sich nicht wehren (die Hauptdarstellerin entwickelt die fundamentale Veränderung der Figur durch das traumatische Erlebnis glänzend), und Emad, der früher immer so Ausgeglichene, der sich verändert und nun in wütender Mannesehre auf die Suche nach dem Täter macht (und dramaturgisch nicht so total logisch findet), stößt auf einen ältlichen „Ehrenmann“, der einfach dachte, in der Wohnung lebe, wie früher, eine Prostituierte.
 
Das ist ein Film, wo sich vieles vor allem in der vertrackten Psychologie der Personen abspielt, die Proben zum „Tod des Handlungsreisenden“, wo sie das Ehepaar Loman spielen (auch das ist recht künstlich), ergeben die Parallelen zum Thema von familiären Lebenslügen. Man merkt, wie sowohl die Frau wie auch der Mann, bis dahin der souveräne Intellektuelle, sich verändern und auseinanderdriften, wie ihre Beziehung an dem Geschehenen, mit dem so schwer umzugehen ist, kaputt geht.
Und die Frage nach Rache, Strafe, Vergeltung kommt angesichts eines identifizierten  Täters auf, macht die Handlung ein wenig dramatischer und versickert dann, wobei die Geschichte möglicherweise in unserer Welt genau so ablaufen würde wie in der für Frauen so repressiven iranischen Gesellschaft. Das ist auf moderate Art interessant, aber doch nicht so großartig, wie man erwarten könnte. Am Ende begreift man jedenfalls, daß das einstürzende Haus zu Beginn eine Metapher war für alles, was danach kommt…
 
Trailer   
 
Renate Wagner