Rare Trüffel

von Hanns Dieter Hüsch

                  © Jürgen Pankarz
Rare Trüffel
 
Sag mal, hab ich neulich zu mein Frau gesagt, weißt du eigentlich, was „rare Trüffel“ sind? Ja, hat mein Frau da gesagt. Dat weiß ich. Das ist eine besondere Gattung der Schlauchpilze mit etwa 50 Arten in Europa und Nordamerika, mit unterirdischem, kartoffelähnlichem Fruchtkörper, und das sind zum Teil sehr geschätzte Würz- und Speisepilze, die sogar in Trüffelwäldern kultiviert und dort von sogenannten Trüffelschweinen aufgestöbert werden und kosten dementsprechend in Nobelrestaurants auch ein Schweinegeld. Donnerwetter! hab ich da gesagt. Ich meine: Woher weiß meine Frau das alles? Ich hab das studiert! hat da mein Frau gesagt. Weil ich wußte, daß du, mein lieber Mann, danach fragen würdest. Un woher wußtest du das? Nun, was ihr Männer lest, das lesen wir Frauen doch schon lange, ne. Wie z.B. „Traummänner sind rare Trüffel“. Da hab ich doch nur noch auf deine Frage gelauert! Ja dann, hab ich gesagt, dann, wenn de alles schon weißt, ne, dann brauch ich ja gar nich weiter zu fragen. Nein, brauchst du auch nich, hat da mein Frau gesagt. Du bist weder ein Traummann noch gehörst du zu den wahren Trüffeln. Denn dein Fruchtkörper ist überirdisch, und du wirst auch nich gegessen, z.B. von mir. Denn ich bin auch keine Traumfrau und keine Trüffeline, sondern wir sind Mann und Frau, verstanden? Ja, gut. Mal geht's gut, mal weniger, dann wieder sehr gut … ich hab auch keine Herzrhythmusstörungen und Magenschmerzen, leide auch nicht an Schlaflosigkeit und Schüttelfrost. Bravo, hab ich da gesagt, bravo, dann hast du sicher ganz bestimmt klammheimlich, eh, in einer Selbsthilfegruppe mitgearbeitet. Oder du bist doch eine rare Trüffeline. Ach, du meinst die neuen Gruppen da, die diese amerikanische Familientante, diese Familientherapeutin, wie heißt se, Robin Norwood, mit ihrem Buch „Wenn Frauen zu sehr lieben“ in de Welt gesetzt hat, ne. Wo jetzt alle aufopferungssüchtigen Frauen hinrennen, un wobei Freude, Glück und Energie herauskommen soll. Ja. Die mein ich, genau die, hab ich gesagt, ne. Jetzt nämlich müssen die Frauen alle wieder andersrum, ich meine, also nich andersrum, sondern, jedenfalls nicht ohne Mann, aber zu besseren Bedingungen, ne. Und die Norwood-Botschaft, die heißt sogar letzten Endes: Wenn du dich änderst, ändert sich dein Mann auch! Eben nich, hat da mein Frau gesagt, nich wahr. Ich hab mich erst geändert, weil du dich geändert hast. Ich? Ja du! Weil ich dich zu sehr geliebt hab? Du mich? Ja, du mich. Nein, ich dich. Ja wat denn nu? Wir uns oder ihr euch? Wie dem auch sei, hat da mein Frau gesagt. Ich bin nicht mehr süchtig danach, mich aufzuopfern, ich bin keine weibliche Masochistin mehr, nich wahr? Aha, hab ich gesagt, dann bist du ja sogar eine typische Norwood-geschulte Frau! Aber weißte, was die berühmte Alice Schweizer oder Schwarzer, oder wie die heißt, gesagt hat? Die hat gesagt, jetzt würde psychologisiert, was eigentlich politisch ist. Kannste mir jetzt Vielleicht das mal erklären! Ja, natürlich, hat da mein Frau gesagt, kann ich dir erklären. Das heißt nämlich im Klartext: Nicht mehr die Misere patriarchalischer Strukturen ist das Thema, sondern der Hang zum Katastrophenmann.
Eu, eu, eu, eu, eu, eu, eu, hab ich da gesagt, also die patriarchalische Struktur, dat is also dat Politische, ne, soweit ich das versteh, und der Hang zum Katastrophenmann, dat is dat Psychologische, oder wie seh ich das? Richtig, hat da mein Frau gesagt. Ja, un wo steh ich da? Du bist nix von beiden, hat da mein Frau gesagt. Nix von beiden: weder Patriarch noch Katastrophenmann.
Du bist weder ein überflüssiges Wesen, wie et ja immer bei de dogmatischen Feministinnen heißt, noch ein Muttersöhnchen. Du bist ein Mannmensch. Aber, hab ich gesagt, in de Volkshochschule in Köln un Düsseldorf, da können Frauen jetzt lernen, wie man von labilen Männern abläßt. Du bist auch nicht labil, hat da mein Frau gesagt, du bist ein Stier. Und ich bin dein Fisch. Ja, und wie lang schon? Seit Adam und Eva, hat da mein Frau gesagt, weil dazu gehören immer zwei, nach wie vor. Was ich ja immer gesacht hab! Hab ich da geantwortet: Traumfrauen sind rare Trüffel!
 
 
© Chris Rasche Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.