Schluchzen

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Schluchzen
 
Ich mag das Wort „Schluchzen“ nicht. Ich mag auch das Schluchzen nicht als Geräusch. Schluchzen ist eine hemmungslose Anklage, gegen die man nicht argumentieren kann. Selbst wer im Unrecht schluchzt, bedarf dann unserer Tröstung. Selbst dann, wenn wir der Anlaß dieses Schluchzens gewesen waren. Kann man nicht zum Schluchzen wenigstens Seufzen sagen? Was seufzte? Am liebsten Bier. Was schluchzte? Alles, was dröhnt. Ich hatte mal eine Freundin, die hieß Anna, die war ganz nah am Wasser gebaut. Die war eine große Schluchzerin vor dem Herrn. „Schluchz doch nicht so“, habe ich immer gesagt, aber dann hat sie gleich noch mehr geschluchzt. Versuchen Sie mal, eine Schluchzerin zu trösten.
Ich kenne Seufzerinnen, die können ein Theater sprengen. Schlimm ist, wenn jemand weint und eigentlich keinen Grund dazu hat. Im Grunde ist das alles total traurig.
Schluchz.

© Erwin Grosche
Aus: „Die Wirklichkeit und andere Übertreibungen“