Tragik einer Künstlerfreundschaft in opulenten Bildern

„Meine Zeit mit Cézanne“ von Danièle Thompson

von Renate Wagner

Meine Zeit mit Cézanne
(Cézanne et moi - Frankreich 2015)

Drehbuch und Regie: Danièle Thompson
Mit: Guillaume Canet, Guillaume Gallienne u.a.
 
Einer lebt im Bewußtsein als einer der größten Schriftsteller Frankreichs, einer ist der wichtigsten Maler des Landes. Die Ikonen von heute waren einst Menschen, die auf ihre Mitwelt keinesfalls großartig gewirkt haben. Zumal, wenn sie aufeinander prallten.
Emile Zola (1840-1902) und Paul Cezanne (1839-1906) kannten sich von frühester Jugend an, waren Freunde, rieben sich an einander geradezu seelisch wund, gingen im Bösen auseinander, aber Cezanne soll einen Tag lang über Zolas Tod geweint haben…

Eine Männerliebe (Freundschaft wäre zu wenig), ganz ohne sexuellen Hintergrund (es sei denn, daß sie einander die Frauen wegnahmen), die von der Leidenschaft von Künstlern bestimmt wurde, jeder in manischer Egozentrik auf sein eigenes Werk konzentriert. Der Beginn des Films von Danièle Thompson zeigt die längste Zeit nur Schreibfeder und Tintenfaß, Palette und Farben, die Werkzeuge ihrer Arbeit… und zwei Besessene der von ihnen gewählten Kunst.
Dann hat sich die Filmemacherin nach eigenem Drehbuch in einem opulenten, sorglich ausgestatteten und „schön“ fotografierten biographischen Film ausführlich auf die Spuren der beiden gesetzt, dort, wo sich die Lebenswege immer wieder kreuzten. Dabei wechselt sie die Zeitebenen, stellt die Protagonisten in verschiedenen Lebensaltern hin, und sie erwartet vom Publikum auch einige Kenntnis über die Welt der Dichter und Maler in der französischen Welt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
 
Interessant ist grundsätzlich die verschiedene soziale Ausgangssituation von zwei Jungen, die in Aix aufwachsen – Emile, der mit seiner Mutter in armen Verhältnissen lebt, von den anderen Kinder als „der Italiener“ verlacht, und Paul, der Sohn aus reichem Haus. In Paris wendet sich dann das Blatt: Zola arbeitet sich zum hoch angesehenen, auch wohlhabenden Schriftsteller hoch, Cezanne sinkt zum Bohemien ab, dessen niemand schmeichelndes Werk zu Lebzeiten keinesfalls die Achtung erlangt, die es verdiente.
 
Guillaume Canet (im Privatleben Ehemann von Marion Cottilard) als Emile Zola und Guillaume Gallienne (den man aus „Maman und Ich“ als genialen Komiker in Erinnerung hat) als grimmiger, zerzauster Paul Cezanne liefern sich eine Schlacht aus Zu- und Abneigung, die als Tragikomödie mehr zur Tragik neigt. Sie streiten über Kunst und über die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft und driften im Zorn immer mehr auseinander. (Das Thema „Dreyfus“ im Zusammenhang mit Zolas Biographie steht hier nicht weiter zur Debatte.)
Eingebettet einerseits in eine Künstlerwelt (viele berühmte Maler der damaligen Zeit kommen vor), andererseits in eine Bürgerwelt, die dazu neigt, Cezanne auszugrenzen (was Zola wiederum in innere Konflikte bringt), ist das Biopic üppig und ehrwürdig konventionell, schwelgt in Landschaften und erfüllt auch voll den Nebeneffekt dieser Filme, nämlich dem Wissen und der Bildung der Zuschauer ein wenig aufzuhelfen.
 
 
Renate Wagner