Das Lachen ist nicht leicht gefallen...

„Die Welt der Wunderlichs“ von Dany Levy

von Renate Wagner

Die Welt der Wunderlichs
(Deutschland – 2016)

Drehbuch und Regie: Dani Levy
Mit: Katharina Schüttler, Peter Simonischek, Hannelore Elsner, Christiane Paul, Ernst Wilhelm Rodriguez, Steffen Groth u.a.
 
Klar, daß jeder etwas über die Verrückten in seiner Verwandtschaft zu erzählen hat. Aber bei Regisseur Dani Levy muß es besonders zugegangen sein, wenn man in seinem jüngsten Film einen autobiographischen Kern vermutet. „Wunderlich“ ist hier wirklich als sprechender Name gemeint: Die Welt der Wunderlichs verläßt allerdings das freundlich Wunderliche – und das ist das Problem des Films – in Richtung des Pathologischen. Und da tut man sich dann mit dem Lachen schwer.
Und lachen durfte man bei Dani Levy, dem Endfünfziger, Schweizer jüdischer Herkunft, oft. In seinen Film „Alles auf Zucker!“ (2004) hat man sich regelrecht verliebt, so leichthändig ging er mit jüdischer Verwandtschaft um. Und auch über „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2007, noch mit dem unvergesslichen Ulrich Mühe als jüdischer Schauspieler, der Hitler Unterricht geben sollte) hat man echt lachen dürfen. Bei den Wunderlichs liegt die Sache anders.
Denn eigentlich leidet man die ganze Zeit. Man leidet mit Mimi Wunderlich (herrlich mit stets gestresstem Gesichtsausdruck gespielt von Katharina Schüttler), weil man mit ihr, der einzig Normalen in ihrer Familie, von einer Katastrophe in die nächste schlittert. Und jede davon ist Alltag. Denn ihr heiß geliebter kleiner Sohn Felix (Ernst Wilhelm Rodriguez), ihr „kleiner Diktator“, ist ein typisches und damit unendlich anstrengendes ADHS-Kind, angesichts dessen die Lehrer die Löffel strecken. Aber die Abnormität liegt in der Familie: Mimis Papa (Peter Simonischek scheint sich nun auf die seltsamen Väter spezialisiert zu haben, ein bißchen routiniert in seiner Toni Erdmann-Schrulligkeit) ist mindestens schubweise so depressiv, daß er in einer Anstalt am besten aufgehoben ist – geht er in die Welt, wirft er sein Geld hinaus und gefällt sich in abenteuerlichen, angeberischen Rollenspielen. Die Mutter, die man später kennen lernt (Hannelore Elsner kann köstlich geheimnisvoll dreinsehen), ist mindesten bipolar.
 
Mimis Ex Johnny, der größte Loser aller Zeit, wie sie ihn nennt (glänzend: Martin Feifel), ist in seinem Permanenz-Suff zu keinerlei Verantwortung zu zähmen, und ihre Schwester (Christine Paul, blond, bissig, herrlich aggressiv) will von einer Familie nichts wissen, der sie eine geistige Situation verdankt, der mit keinem Medikament und keinem Psychiater beizukommen ist… Ja, und dann hat sich da noch so ein Blondin in Mimis Leben geschlichen (Steffen Groth), der es mit der Liebe dann doch nicht so ernst meint, aber an der Handlung kleben bleibt.
Das sind sie, die Wunderlichs, in einer Reihe lauter, hektischer, extremer Szenen hingestellt. Dann braucht es nach der Situationsschilderung auch so etwas wie Handlung, und da hat sich Dani Levy die Parodie einer Casting-Show vorgestellt. Mimi war nämlich einst mit Johnny ein Schlager-Gesangspaar, das es zu nichts gebracht hat (ihre Mama war wohl der größere Star, oder bildet sie sich das nur ein?), und nun sieht sie sich (wer war der Schuldige?) bei einer Schweizer Show angemeldet, die so was wie „Die zweite Chance“ für ehemalige Talente bedeutet.
Nun hängt der Regisseur (er ist ja auch der Drehbuchautor) Mimi für die Fahrt in die Schweiz alle Familienmitglieder um den Hals, was in der Ballung schwer erträglich ist, und macht sich dann nicht nur über Schweizer TV-Leute, sondern auch über Juroren und die Medien im allgemeinen lustig (Mimi wird als „die mit der verrückten Familie“ populär).
Am Ende quillt dann die Sentimentalität, wie man sie gerade diesem Regisseur, der es besser kann und weiß, nicht gerne verzeiht, und da man es nicht mit fröhlich verrückten Asozialen, sondern mit Kranken zu tun hatte, ist auch das Lachen nicht leicht gefallen. Wer sagt, daß Familiengeschichten einfach sind? Nicht im Leben und nicht auf der Leinwand.
 
 
Renate Wagner