Haarsträubend

„Mein Fleisch und Blut“ von Michael Ramsauer

von Renate Wagner

Mein Fleisch und Blut
(Österreich – 2016)

Drehbuch und Regie: Michael Ramsauer
Mit: Ursula Strauss, Andreas Kiendl, Lili Epply, Nikolai Klinkosch u.a.
 
 
Einmal hat es ja mehr oder weniger geklappt: Mit „In 3 Tagen bist du tot“ hatte Regisseur Andreas Prochaska (vor nun auch schon zehn Jahren – wie die Zeit vergeht!) erfolgreich gewissermaßen eine österreichische Version der erfolgreichen US-Teenie-Krimis à la „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ geschaffen und mit dieser Nachahmung reüssiert.
Ähnliches schwebte offenbar dem deutschen, in Wien lebenden Kameramann und Drehbuchautor Michael Ramsauer vor, als er seinen ersten abendfüllenden Spielfilm drehte: „Mein Fleisch und Blut“ ist Dutzenden amerikanischer Krimis abgekupfert, in denen sich scheinbar freundliche Nachbarn als wahre Horrormonster entpuppen, die das Leben einer Familie bedrohen – und am Familienvater liegt es, als Retter aufzutreten, selbst wenn er dann Superman-Qualitäten mit Blut an den Händen entwickeln muß…
 
Dabei fängt es ganz glaubhaft an. Zwar arbeiten die Schauspieler an einer Natürlichkeit, die so künstlich und gezwungen wirkt, daß man sich fragt, wieso so exzellenten Interpreten das eigentlich passieren kann, aber man gewöhnt sich daran. Also, Papa Martin ist Journalist, holt sich von seinem Polizistenbruder Tips über jüngste Ereignisse, bricht bei einem Einsatz zusammen.
Zuhause hat er in Katharina eine freundliche, immer besorgte Ehefrau, denn das gemeinsame Kind Tobias, ein etwa sechsjähriger Junge, dürfte an einer Art Autismus leiden, hat Angst vor Wasser, ist von den liebenden Eltern (später erfahren wir, daß Tobias adoptiert ist) schwer zu erreichen. Da Papa jetzt – auf Erholung nach dem Zusammenbruch – daheim bleibt, um auf den Jungen aufzupassen, läßt er auch den Swimmingpool ein.
Ja, und dann, wie es im Kino so passiert, steht plötzlich eine hinreißende junge Blondine vor ihm, die neue Nachbarin Nicole, die mit ihrem Freund nebenan eingezogen ist und die auch gerne einmal schwimmen will – und offenbar ganz schnell einen Draht zu Tobias findet.
Leider kommt nun alles, wie es kommen muß – es ist ermüdend, wie voraussehbar und dabei primitiv das Drehbuch verläuft, die Ingredienzien von Verführung, Kindesraub, tragischer Vergangenheit, repressiver Religion sind so abgegriffen, daß man sich wünscht, das wenn schon, denn schon in einem spitzenbesetzten amerikanischen Thriller zu sehen.
Dort, wo man dem Papa auch glauben könnte, wie geschickt er immer herausbekommt, was das mörderische Pärchen getan hat (er springt auch irgendwo am Land auf der Suche nach ihren Eltern genau dort in den Fluß, wo er die schaurigen Leichen findet…). Und wo dann alle plötzlich Pistolen und Messer in den Händen haben, damit herumfuchteln und sich bedrohen und schließlich auf Leben und Tod gekämpft wird. Das ist, um es ehrlich zu sagen, haarsträubend.
 
Es ist Andreas Kiendl, eine fraglos starke Persönlichkeit, der die zentrale Rolle hat und dem man den verzweifelten Kämpfer um seine Familie auch glaubt. Ursula Strauss wurde als Mutter wohl nur besetzt, weil sie als Fernsehkommissarin bekannt ist und folglich den größten Namen mitbringt: Ihre Rolle als nur besorgte Mutter ist mehr als unergiebig, da holt selbst das hübsche, filigrane Blondinchen, die gerade 21jhrige Lili Epply, mehr aus der mysteriösen, wenn auch unendlich klischierten Nachbarin heraus. Ja, und der kleine Nikolai Klinkosch als Tobias formt glaubhaft die autistische Fremdheit des kleinen Jungen (der, wie wir erfahren, so viel gelitten hat).
Die anderen dürfen halt mitspielen, ob Wolfgang Rauh, farblos als Nicoles Bruder, Hary Prinz, weniger farblos als Polizist, Werner Prinz, der praktischerweise direkt zu einer Leiche führt.
Also, ehrlich: So dumm ist man dem Kinobesucher im österreichischen Film (wo’s ohnedies selten Meisterwerke gibt) schon lange nicht gekommen.
 
Renate Wagner