Notizen

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Notizen
 

1. Simon komm jetzt!: Manche zuckten zusammen, als der Mann so laut: Simon komm jetzt! rief. Sie hörten nur dieses kompromißlose „Simon komm jetzt!“, hatten aber nicht mitbekommen, wie lange er sich bemüht hatte, seine Beherrschung nicht zu verlieren. Der Mann hatte es mit Simon sehr lange im Guten versucht, aber drang nicht damit zu ihm durch. Simon war der Teufel. Ich war dabei gewesen und wollte auch schon eingreifen, aber einerseits wollte ich nicht im Supermarkt einen Aufstand verursachen und andererseits war ich auch nicht sein Vater. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch ein wenig Angst vor Simon. Simon kam dann natürlich nicht.
 
2. Die fehlerlose Gesellschaft: Er betrachtete die Welt mit großem Widerwillen. Ihm graute vor all den Perfekten, den Raffinierten, den Gerechten, den Schönen und den Reichen. Wie konnte man nur so langweilig sein? Er schaute sich um und langweilte sich unter den Gesunden, den Wissenden und den Reichen. Plötzlich kam ein Kind in den Raum. Es zog an einer Leine einen riesigen Hund hinter sich her und strebte die Tortentheke an. Das machte Hoffnung.
 
3. Unter Wert: Wenn er sich jetzt einen Bart wachsen lassen würde, könnte man endlich wahrnehmen, wie gut er vorher ausgesehen hat.
 
4. Der Einkaufswagen: Der Mann konnte mit einem Arm den Einkaufswagen in die Einkaufswagen schieben. Das klappte erstaunlich gut, auch wenn dieser Vorgang mit zwei Armen besser zu meistern gewesen wäre. Der Mann hatte aber nur einen Arm. Wenn er die Welt gestalten dürfte, sähe manches anders aus. Gewiß würden komplizierte Zwei-Hände-Maschinen der Vergangenheit angehören. Vielleicht gäbe es keine Flipper mehr. Tango würde anders getanzt.
 
5. Freund: Ich mag meinen Freund nicht. Er soll nicht zu meinem Geburtstag kommen. Er soll traurig sein und mich vermissen.
 
6. Wolken mit Humor: Der Hund bellte so laut, daß selbst die Wolken erschrocken das Weite suchten (dazu nahmen sie Katzenformen an).

 

 
© Erwin Grosche