Reise, Reise!

von Frank Becker

 

         

 

Goscinny & Sempé - Der kleine Nick.
Sämtliche Feriengeschichten
  Die Fahrt ins Glück - Über Urlaub
und andere Katastrophen

Reise, Reise!
 
Nach Ägypten wär´s nicht so weit.
Aber bis man zum Südbahnhof kommt.
Karl Kraus
 
Jetzt sind endlich die Sommerferien allüberall im Lande ausgebrochen, die Ferienorte an der Küste und in den Bergen, in der Heimat und in der Ferne haben sich herausgeputzt. Die Wälder stehen im grünen Sommerkleid, die Badeseen sind angenehm temperiert, die Urlauber dürfen kommen. Das werden sie auch tun, denn die Reiselust der Deutschen, die darin und im Fußball Weltmeister sind, ist ungebrochen. Gut, die Ziele sind nicht mehr unbedingt die selben, seit Bombenleger und Mordkommandos einige nordafrikanische, levantinische und vorderasiatische Länder in Angst und Schrecken versetzen, aber verreisen möchte der Durchschnittsdeutsche auf jeden Fall. Und wenn es nach Malle ist.
Wenn man es dann nach endlosem Anstehen an Flughäfen und Bahnhöfen, nach überfüllten Zügen, schweißtreibenden Staus auf den Autobahnen mit quengelnden Kindern endlich geschafft und einen Liegestuhl an Strand oder Pool ergattert hat, kommt endlich die ersehnte Ruhe. Was anderes als ein Buch versüßt dann die Zeit der Muße. Wir haben hier zwei Bände für sie ausgesucht, von denen wir uns für Sie genau die richtige Ferienlektüre versprechen, denn es geht darin – um die Ferien.
 
Eines haben die beiden Bücher gemeinsam, sie beginnen mit der gleichen heiteren Erzählung von René Goscinny „Der letzte Schultag“, einer Feriengeschichte mit dem liebenswerten Lausbuben Nick, dem Jean-Jacques Sempé mit seinen Zeichnungen (siehe Titel von „Der kleine Nick“) kongenial Gestalt verliehen hat. Bleiben wir auch gleich bei Nick, denn ihm und nur ihm ist ein üppiger Diogenes-Band gewidmet, der sämtliche Feriengeschichten – und da gibt es einige – aus vielen Jahren und vielen Nick-Büchern versammelt. 28 Geschichten aus den beliebten Kinderbüchern, die Erwachsenen mindestens das selbe Lesevergnügen bereiten, wurden zusammengetragen und mit allen dazugehörigen Illustrationen von Sempé ausgestattet. Die habe ich natürlich nicht nachgezählt, aber gut 200 werden es sein.
Schultage mit den Ferien vor Augen, Reisen mit Papa und Mama, Abenteuer in der Ferienkolonie, Bahnfahrten und Autoreisen. Der kleine Nick hat viel zu erzählen, und er tut es mit unwiderstehlichem Humor. Wie gesagt: ein herrliches Vergnügen für Jung und Alt. Das sollte eine Familie unbedingt mit in den Urlaub nehmen, schon allein, um die Kinder bei Laune zu halten. Und preiswert ist es außerdem.
 
Goscinny & Sempé – „Der kleine Nick – Feriengeschichten“
Deutsch von Hans Georg Lenzen
© 2014/2016 Diogenes Verlag, 276 Seiten, Broschur – ISBN 978-3-257-24323-9
8,- €
 
 
Man erwartet stets eine hohe, geheimnisvolle Welt,
um schließlich gewahr zu werden, daß Müllers und
Schultzes überall ihre Zelte aufgeschlagen haben.
Theodor Fontane
 
Wer könnte nicht vom Reisen und den damit verbundenen kleinen und großen Abenteuern oder gar mittleren Katastrophen berichten. Bert Sander hat das zum Anlaß genommen, Texte der deutschen und Weltliteratur zum nämlichen Thema zusammenzutragen. Seine kunterbunte, unerhört kurzweilige Sammlung von Prosa und Lyrik zum großen Thema „Urlaub und andere Katastrophen“ hat er zwar bereits vor zehn Jahren zusammengestellt, doch das Buch ist glücklicherweise antiquarisch noch immer zu haben. Die gesammelten Romanauszüge, Erzählungen, Gedichte, Glossen und Satiren bilden ein wunderbares, überwiegend heiteres literarisches Kaleidoskop, dessen Facetten zwei Jahrhunderte überwiegend deutscher Literatur spiegeln. Das geht munter von Joseph von Eichendorff bis Wiglaf Droste, von Ludwig Uhland bis Hermann Harry Schmitz, von Friedrich Schiller bis Kurt Tucholsky. Aber auch René Goscinny (s.o.) mit seinem „Kleinen Nick“, Italo Calvino, Gabriel Laub u.a.m. kommen als europäische Zaungäste zu Wort. Eingestreute Zitate aus Literatur und Philosophie dampfen überdies grundsätzliche Erkenntnisse über das Reisen zu aphoristischer Essenz ein.
Der geneigte Leser tritt z.B. mit Franz Fühmann auf den Spuren Theodor Fontanes eine Reise durchs Brandenburgische an. Das war im Jahr 1967, als der real existierende Sozialismus bestimmte, was be- und geschrieben werden durfte. Fühmann traute sich damals was. Natalia Ginzburg beschreibt einfühlsam und traurig nachfühlbar die Sommerreisen mit den Eltern, bei denen sie sich verloren und unverstanden fühlte, Thomas Manns „Buddenbrooks“ mit der großbürgerlichen Kutschfahrt dürfen nicht fehlen, Richard Christ beschreibt Ostsee-Spaziergänge von Ahlbeck über Rerik bis Zingst und Joachim Ringelnatzens Reiselyrik atmet seine Klughit und seinen unvergleichlichen Humor.
 
Und wenn Sie mal den Zug verpaßt haben, nützt nur noch Wilhelm Buschs Fatalismus: „Der Zug ist eben abgelassen / Ich stehe da und kann´s nicht fassen.“
 
„Die Fahrt ins Glück“ (Hrsg. von Bert Sander)
Über Urlaub und andere Katastrophen
© 2006 Hinstorff Verlag, 199 Seiten kartoniert, ISBN 978-3-356-01131-6