Schwarzes Gold vor Wuppertal

von Michael Zeller

Michael Zeller - Foto © Frank Becker
Michael Zeller
 
Schwarzes Gold vor Wuppertal *
 
Ein schlankes Wiesental, im Bergischen Land, das sich in die Tiefe hinein bohrt. Sein Herz, auch wenn es manchmal nur leise schlägt, ist der Bach.
Viel Platz bleibt dem Wasser nicht. Zur linken Hand ein Hang voller Kühe. Die verstreut grasenden Tiere markieren ein Gefälle, das das Gelände wahrscheinlich gar nicht hat. Richtig steil aber ist der lichte Wald gegenüber. Um die Böschung hochzukommen, müßte ein Wanderer die Hände zu Hilfe nehmen. Die Buchen sind weit gestellt und lassen das Licht am Himmel durch bis auf den Grund. Rostrot strahlt das Laub am Waldboden bei Sonne. Ein Teppich der Pracht.
Versperrt ist heute der Asphaltweg, der den Bach begleitet bis zu den Bauernhöfen hinten im Tal. Drei rote Rettungswagen und ein Polizeiauto mit Blaulicht stellen ihn zu. Die zwei Wanderer fragen nach dem Grund.  
Viel wissen die beiden jungen Beamtinnen nicht. „Öl“, meint die eine und zuckt die Achseln. Aber wir dürfen durch, wenn wir brav am Rand bleiben und die Männer nicht bei ihrer Arbeit stören. Zu stören gibt es da allerdings wenig. Mit Helm und ohne stehen ein paar in blauer Arbeitsmontur um einen dunklen Fleck im Asphalt herum, eine eher bescheidene Pfütze. Darauf schillert eine bunte Ölhaut. Zwei von ihnen schippen Sand darüber, mit einer Langsamkeit …  die Arbeit soll wohl eine Weile vorhalten, wenn sie schon ausgerückt sind in voller Wichs.
„Öl“, bestätigt uns einer, ohne den Kopf zu heben. Mehr weiß er auch nicht. Keiner, scheint es, weiß etwas.
Wir gehen auf unserem gewohnten Weg, in der Enge zwischen Kuhweide und Laubwald, in das schmale Tal hinein und kommen an weiteren ähnlichen Pfützen vorbei. Ein Feuerwehrwagen überholt uns, fährt im Schritttempo den Weg ab, kommt uns bald schon wieder entgegen. Wir halten ihn an und zeigen dem Fahrer die Ölspuren.
„Vielleicht wird ja mal Öl entdeckt im Bergischen Tal“, sagt einer von uns.
Der Fahrer, ein junger Mann, keine Dreißig, findet daran nichts zum Lachen. Im Gegenteil.
 „Dann wär ja unser schönes Bergisches Land hier auch noch futsch“, meint er trocken und schleicht zurück zu den Seinen vorn.
Donnerwetter! Ich drehe mich um und schaue ihm lange nach.
Kein Funke von Goldrausch hat geglommen im Auge dieses Jungen, keine Lust am Abenteuer. Wie heißen seine Schätze, nach denen er buddeln würde mit der wüsten Gier eines Maulwurfs?   

 
*  Seit 2015 ist das sogenannte Fracking in Nordrhein-Westfalen zu einem politischen Thema geworden: die Gewinnung von Öl und Gas durch Tiefenbohrungen. Unter hohem Druck wird dabei mit Chemikalien versetzte Flüssigkeit in den Boden gepreßt, um an das darin eingelagerte Gas oder Öl zu gelangen. Zahlreiche Kommunen des Landes haben sich gegen dieses Verfahren ausgesprochen. Wuppertal nicht. Der Rat der Stadt, die sich mit ihren Schieferböden für das Fracking-Verfahren  anböte, hat sich den „Frackingfreien Gemeinden“ nicht angeschlossen. Es ließe sich nicht vorhersagen, meinte die Ratsmehrheit im Frühjahr 2016, welche technischen Neuerungen für Tiefenbohrungen eines Tages entwickelt werden könnten.