Ein ordentlicher Film mit Schwächen

„Die Geliebte des Teufels“ von Filip Renc

von Renate Wagner

Die Geliebte des Teufels
(Lída Baarová) 
(Slowakische Republik, Tschechische Republik 2016)

Regie: Filip Renc
Mit:  Tatiana Pauhofová, Karl Markovics, Gedeon Burkhard, Zdenka Procházková, Pavel Kríz, Simona Stasová, Martin Huba  u.a.

Nun befassen sich auch unsere östlichen Nachbarn auf der Filmleinwand mit der unbewältigten Vergangenheit – nicht mit der Nachkriegszeit (das Thema „Sudetendeutsche“ mögen sie nicht), aber mit dem Krieg. Und so, wie die Schweden ihren „Problemfall“ Zarah Leander, die Holländer ihren „Problemfall“ Johannes Heesters hatten, so ging es der Tschechoslowakei (die es damals noch gab) mit ihrer Lída Baarová. Denn so „deutsch“ der deutsche Film einerseits war, mit den attraktiven Ausländern (da waren auch noch die Rökk, die Söderbaum) schmückte man sich sehr gerne.
Die Karriere der Lída Baarová im deutschen Film blieb zwar schon 1938 stecken, nicht obwohl, sondern weil sie mit dem wichtigsten Mann der deutschen Filmbranche ein Verhältnis hatte. Ihre Landsleute hätten sie nach dem Krieg als Kollaborateurin und deutsche Spionin hingerichtet, hätte ihr Vater nicht die Begnadigung erwirkt – behauptet zumindest der Film, der sich einerseits streng historisch gibt, andererseits wohl vieles wirkungsvoll ausschmückt. Aber jedenfalls umschifft Regisseur Filip Renc die Frage nach einer möglichen Schuld der Baarová im Dritten Reich nicht mit Ausflüchten, wenn auch am Ende nur Naivität, Opportunismus und die „große Liebe“ zum „Teufel“ übrig bleiben.
 
Um das Thema gleich nach heutigen Gesichtspunkten anzupacken, werden das klassische Element der Rahmenhandlung und das noch klassischere des Interviews gewählt. Die uralte Baarová, Jahrgang 1914, wird im Jahr 2000, kurz vor ihrem Tod, in Salzburg gezeigt, wo sie seit längerer Zeit lebte. Sie gibt einer jungen jüdischen Journalistin ein Interview, in dem die allgemein üblichen  Fragen gestellt werden, oft abgewehrt, oft beantwortet. Die alte Frau ist eine große Leistung von Zdenka Procházková (die man vor Jahrzehnten auch gelegentlich in Wien im Theater gesehen hat). Es gibt, wie bei vielen Menschen aus dieser Epoche, weder Entschuldigungen noch Erklärungen. Nur daß hier die Liebe zu Goebbels zur Triebkraft des Lebens gemacht wird. Dies sieht man in Rückblenden, die immer wieder zwischen die Interview-Szenen geschnitten werden.
Da ist die sehr junge Lida in Prag, offenbar schon ein erfolgreiches Sternchen, das genau weiß, daß eine „Star“-Zukunft im Film nicht in ihrer Heimat, sondern nur in Deutschland zu erringen ist. Eine extrem ehrgeizige Mutter (der Typ, von denen es so viele gab und gibt) treibt sie an, begleitet die Zwanzigjährige nach Berlin, in die Filmstudios der allmächtigen Ufa, während der daheim gebliebene Vater nur gewarnt hat: Deutschland, das ist Nazi-Deutschland.
Man glaubt es der Baarová, wie man es so vielen anderen Schauspielern geglaubt hat, daß sie sich „nicht für Politik interessieren“: Sie hatten nur ihre Karrieren im Kopf, und wenn diese stattfanden, würdigte man das Drumherum mit kaum einem Blick. Die Baarová fand schnell einen höchst renommierten Geliebten, Gustav Fröhlich, einen der prominentesten männlichen „Liebhaber“ des deutschen Films. Es wird gezeigt, wie gern er wegsah, wenn etwas nicht paßte (daß eine jüdische Ehefrau eine „Unannehmlichkeit“ war, von der er sich zu befreien dachte, wird so nebenher behandelt, wie es damals wohl der Fall war…) – und daß er, als ein Mächtigerer ihm die Frau wegnahm, es sich gefallen ließ, wutentbrannt zwar, aber ohne Protest, der seine Karriere gefährdet hätte.
 
Wie schön und begabt die Baarová war, müßte man – wenn es denn genügend interessierte – mit Hilfe alter deutscher Filme zu bestätigen suchen. Sie machte jedenfalls schnell Karriere, wenn auch „Tee bei Hitler“ höchst vage ausfiel, der Führer es schnell damit bewenden ließ, daß sie einer Frau ähnlich sähe, die er einmal gekannt hat.
Und dann – Auftritt des „Teufels“. In der Originalfassung heißt der Film schlicht „Lída Baarová“, nur im Deutschen hat man sich zu dem tremolierenden Titel „Die Geliebte des Teufels“ hochgeschaukelt, wobei Joseph Goebbels ja nicht zuletzt seines Klumpfußes wegen immer wieder so bezeichnet wurde. Gefährlich war er ja wohl wie eine Klapperschlange, und als Propagandaminister, der buchstäblich mit einem Fingerschnipsen alles entscheiden konnte, auch in der Filmbranche „allmächtig“. Vermutlich konnte er sich vor weiblichen Angeboten nicht retten. Aber er wollte Lída Baarová.
Sagen wir kurz, daß der Film, der das Milieu des Dritten Reichs auf jene „reizvolle“ Art und Weise nachmalt, wie es schon Visconti und andere getan haben, die der Ästhetik auf den Leim gingen, in der Goebbels-Baarová-Liebesgeschichte am schwächsten ist. Daß hier eine Ehefrau kämpfte, ist wieder stärker, daß die Baarová alles verlor, als sie „entfernt“ wurde, weil Hitler eben noch mächtiger war als Goebbels und dessen „Vorzeige-Ehe“ aus Propaganda-Zwecken braucht, auch das funktioniert wieder, inklusive der Nachkriegsszenen.
Wie es dann weiter ging (die Baarová hat noch zweimal geheiratet und „g’frettete“ sich mehr als ein halbes Jahrhundert durch eine nur noch mediokre Karriere), interessiert den Film nicht mehr. Am Ende ist die alte Dame, die auf ihr Leben zurückgeblickt hat, tot. Daß Goebbels zu der Sterbenden hinkt, um sie abzuholen… ja, das gehört wieder zu den schlechtesten Passagen.
 
Wie sagt man nun, was man meint, wo man doch Karl Markovics so sehr schätzt? Er hatte natürlich seine Skrupel einer so exzessiven Persönlichkeit wie Goebbels gegenüber. Sein Entschluß, ihn nur „privat“, als (geradezu lächerlich) schmachtenden Liebhaber zu „unterspielen“ und nichts davon zu bringen, was an diesem Mann faszinierend gewesen sein muß, auch seine Rücksichtslosigkeit nicht wirklich zu spüren lassen – das macht den Teufel nicht einmal zu einem Teuferl, sondern bloß zu einer mickrigen Figur. Mit diesem kraftlosen Goebbels ist diese Geschichte eigentlich nicht zu erzählen. (Man sehnt sich hier direkt nach Moritz Bleibtreu, der 2010 in dem „Jud Süß“-Film einen ungleich interessanteren, „hintergründigeren“ Joseph Goebbels abgegeben hat.)
Die coproduzierenden Slowaken und Tschechen haben sich nur noch einen deutschen Schauspieler geholt, Gedeon Burkhard als Gustav Fröhlich, Charmeboy mit Ecken und Kanten, brutal genug, wenn es um das eigene Interesse geht. Das überzeugt mehr als Goebbels.
Den Rest der Besetzung haben die Tschechen und Slowaken mit hoher Überzeugungskraft beigestellt, wobei Tatiana Pauhofová als Lída Baarová liebenswert und ätherisch zugleich wirkt. Interessant wie überzeugend Pavel Kríz als Hitler erscheint (hier ist man für die Diskretion der Darstellung dankbar), wie überzeugend Lenka Vlasáková als Magda Goebbels die blonde deutsche Frau in ihrer entschlossenen Verbissenheit gibt, ihren Ehemann nie und nimmer aus den Klauen zu lassen. Glänzend auch Simona Stasová als Lidas betuliche und opportunistische Mutter, Martin Huba als ihr aufrechter Vater.
 
Wie gesagt, das Milieu ist getroffen, Wagner-Musik wabert beim Tee bei Hitler, in der Bettszene mit Goebbels (hier eher lächerlich), beim Zerschlagen der jüdischen Geschäfte (hier von grauenvoller Richtigkeit). Man interessiert sich mehr dafür als für die „schuldhafte“ (?) Liebe der Frau Baarová, die teuer dafür bezahlt hat – den kurzen Platz in der strahlenden Sonne hat sie mit einem weiteren Leben in der Kälte bezahlt. Ein trauriges Einzelschicksal, nicht mehr, nicht weniger. Ein ordentlicher Film mit Schwächen, nicht mehr, nicht weniger.
 
 
Renate Wagner