Der Spott der kleinen Dinge

Hamsterkauf

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Hamsterkauf
 
Neulich habe ich einen Hamsterkauf getätigt. Hamsterkauf ist ein Wort von früher. So wie Fliegeralarm, Ostzone, Luftbrücke, Mannequin oder Sommerfrische.
     Ich dachte, wow, Hamsterkauf!, die Sprache ist die Zeitmaschine des kleinen Mannes. Ich sah mich plötzlich 2058 als Zeitzeugen in einer Sendung von Guido Knopp sitzen und vom Hamsterkauf, damals 2008, erzählen. Dunkelgrauer Hintergrund, ich mit Glasauge, greiser Schuppenflechte, Schmiß, doppeltem Windsor, Hemdkragen etwas fadenscheinig, wie die alle so aussehen bei Knopp. Klappe für die Geschichtsbewältigungsserie: Deutsche Schicksalstage, Folge 4356, „Milch gab ich für Eisen“. Ich: „Ach, wir haben es damals eigentlich gar nicht so schlimm empfunden. Es war für uns ja ganz normal. Wir hatten eben Milch, und die Leute kamen mit ihren DVD-Recordern und Manolo Blahniks und tauschten. Man hatte gar kein Unrechtsbewußtsein. Die Milch war unser weißes Gold.“ Schnitt, Wagner-Musik, Schwenk auf meine goldene Kuh im Vorgarten.
     Mein Hamsterkauf war 40 Tetrapaks 3,5 prozentige H-Milch. Die Kassiererin hat mich angesehen und gesagt: „Sie haben Angst, daß es bald keine mehr gibt!“ Es gibt Dinge, die ein Mann nicht zugibt. Ich habe gesagt, wir führen Campen. Das war die Lüge zum Hamsterkauf. Ich hasse Campen. Beim Campen hatte ich mal eine Nacktschnecke im Kakao, und ein bretonisches Kind hat nachts einen meiner Schuhe geklaut und in das Gemeinschaftsklo geworfen. Campen, sagen Camper, ist Freiheit. Wer das Freiheit findet, für den ist Putin ein lupenreiner Demokrat. Ich habe den Schuh aus dem Klo genommen, aber er war nicht mehr derselbe.
     Einen Tag nach meinem Hamsterkauf beendeten die Bauern den Lieferstopp. Die H-Milch läuft schon im August ab. Wir trinken eigentlich wenig Milch. Ich habe mein Leid einer Kollegin geklagt. „Ich habe noch Impf-Hamsterkäufe aus der Vogelgrippe-Zeit“, hat sie gesagt. Sie schämt sich dafür überhaupt nicht. „Die ist noch nicht vom Tisch“, hat sie gesagt und angefügt: „Was meinst Du, wie sie zu mir angekrochen kommen, wenn die ersten Hühner Menschen beißen!“
     Wieder viel über Mann und Frau gelernt, abends Pudding gekocht.
 


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.