Nature morte

Inszenierte Fotografie von Günter Krings im Atelierhaus Vok Dams

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper
Nature morte:
Inszenierte Fotografie von Günter Krings
im Atelierhaus Vok Dams
 
Günter Krings fotografiert nicht das wirkliche Leben, keine Straßenszenen. Er fotografiert auch keine Landschaften. Man sieht keine Reportagen. Man sieht Fundstücke, die auf Spanplatten mit bemaltem Putz arrangiert werden. Die Fundstücke stammen aus dem Müll, vom Trödelmarkt und erhalten durch ihr Einbringen in die Seelenlandschaft des Fotografen ihre neue Bedeutung. „Aleppo“ zeigt ein Metallteil, welches einer Bombe entsprechen könnte, vor rostbraunen zerfallenden Strukturen. Mit dem Titel wird sofort die beklagenswerte Situation der zerbombten syrischen Großstadt assoziiert. Nature morte, übersetzt Stillleben, nennt Günter Krings diese Bilder, im Katalog. Günter Krings wurde 1936 in Wuppertal geboren und kam 1960 zur Fotografie. Sein Freund Vok Dams zeigte ihm damals, wie Schwarz-Weiß-Fotos im Entwickler- und Fixierbad unter Schwenken von Schalen in der Dunkelkammer entstehen. Thematisch war der Hobbyfotograf zu Beginn nicht festgelegt. In den 70er Jahren fotografierte er die damals junge Compagnie von Pina Bausch in ihren Anfängen. Aus diesen stimmungsvollen Aufnahmen entstand 1999 der erste großformatige Kalender über das Wuppertaler Tanztheater. Mehrfach gewann er Preise für überraschende Fotos und wandte sich aber dann Mitte der 80er Jahre seinen Stillleben, seiner inszenierten Fotografie zu, mit der er den Betrachter einfangen will. Während die alten, holländischen Stillleben um 1700 mit Geschirr, Gläsern, Früchten, Hummer usw. oft die Tafelfreuden ihrer Zeit zeigen und malerische Experimente ermöglichten, stellen die fotografierten Arrangements von Günter Krings die Schönheit des Verfalls dar. „Cui bono“: verrostete Schildchen mit der Aufschrift Caesium 137, Caesium 134, Strontium 89, Jod 131 in Verbindung mit rostigen Schrauben und Metallteilen bieten Anlass über Radioaktivität, über ihren Nutzen und ihre möglichen Folgen nachzudenken. Das Werk entstand nach dem Unfall von Tschernobyl. Der kirchenkritische Zyklus thematisiert, wie Kirche und Religion mit den Problemen der Welt umgehen. Mit seinen Fotografien stellt Krings Kontakt mit dem Betrachter her und beteiligt ihn an seinen Gedanken und Ideen, findet eine „Sprache der Dinge“, zeigt „Spuren der Erinnerung“ und „Gedankenbilder“, bei denen Ort und Zeit keine Rolle spielen. In Wuppertal stellten das Von der Heydt-Museum (1979 in der Barmer Kunsthalle) und auch die CBB-Galerie schon vor vielen Jahren seine Werke aus und nach Gesprächen mit dem interessierten Publikum, welches an ernsten Fotografien in der eleganten Wohnung weniger interessiert war, bezog er in seine Stillleben dann Flaschen kostbarster Weine mit ein, die bemalt, angeordnet und dann fotografiert wurden. Damit erreichte er bei zunehmendem Bekanntheitsgrad ein zahlungskräftiges Publikum, das sich beim Anblick dieser Fotografien stattgehabter Genüsse erinnert und dem Dilemma zwischen Lebensfreude und Verfall ästhetisch nachspüren kann.


Foto © Johannes Vesper


Die Fotos entstehen unter Verwendung relativ einfacher Mittel. Sein Arbeitsraum entspricht keinem Hightech-Fotoatelier. Günter Krings fotografiert seine Objekte und Installationen im diffusem Licht eines fest etablierten Scheinwerfers mit Mattscheibe. Zwei weitere, dem Gegenstand abgewandte Scheinwerfer erhellen den gesamten Raum. Am liebsten würde er seine Objekte bei Außenlicht aufnehmen. Die analog geschossenen Aufnahmen werden in einem Labor entwickelt, dann gescannt und in digitale Bilddateien umgewandelt. Farben, Licht und Formen seiner Fotografien resultieren weniger aus den fotografischen Bedingungen als aus dem Charakter der abgelichteten Objekte, die aber als Lichtbild über sich selbst hinaus wachsen und ein charakteristisches Eigenleben im Betrachter entfalten. Eine Ausstellung der Objekte/Installationen ergäbe eine andere Wirklichkeit als die Ausstellung seiner Fotografien davon. Seine Fotografie ist insofern alter Malerei vergleichbar, die auch Modelle benutzte und nicht direkt aus dem Kopf heraus ohne Visualisierung arbeitete.
Kürzlich wurde eine Ausstellung seines fotografischen Werks im Atelierhaus von Vok Dams eröffnet. Prof. Schmidt-Ospach, der ehemalige Leiter des Feuilletons der Wuppertaler Rundschau in den 60er Jahren und spätere Vorsitzende der Filmstiftung NRW, erzählte bei der sehr gut besuchten Vernissage über den Wuppertaler Künstler und über die Kunstszene des Tals.


Foto © Johannes Vesper
 
Bis September 2016 ist die Ausstellung zu sehen (www.vokdamsatelierhaus.de/inszenierte-fotografie-vernissage-am12-maerz-2016/ )