Friseure und Steuerberater

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Friseure und Steuerberater

Eigentlich isset ja Blödsinn
Sag ich immer
Aber et iss nun mal so
Und man ist dann ja auch immer froh
Wenn man hört
Daß es bei den anderen genau so ist
Also was so Nebensachen betrifft
Die anscheinend doch Hauptsachen sind
Und zwar was so echte Gewohnheiten angeht
z.B. man geht doch schon seit Jahrzehnten zum Friseur
D.h. eigentlich schon sein Leben lang
Da kann man natürlich nicht immer zum selben Friseur gehen
Klar
Als Kind kostete bei mir ja der Haarschnitt ja auch nur
60 Pfennig
Aber so im späteren Leben geht man zu „seinem Friseur“
Nun ist der aber auf einmal nicht mehr so gut
Er macht also wo er einen langen Übergang machen soll
Gar keinen Übergang
Obwohl man es ihm schon ein dutzendmal gesagt hat
Et nützt nix
Und trotzdem geht man immer weiter hin
Aus Anhänglichkeit oder Müdigkeit
Bei mir isset sicher Müdigkeit
Neulich sagte ich: Alles ganz kurz
Wir fahren in die Ferien
Und da hab ich alles gern ganz kurz
Auch den Bart
Und meinen Sie der hätte den Bart kurz geschnitten
Zugegeben der Junge war neu in dem Laden
Aber meinen Sie ich hätte was gesagt
Ich war einfach zu müd
Laß fahren dahin sag ich dann immer
Sie haben keins Gewinn
Luther
Aber mein Frau die tobt dann
Da sagt man doch was
Da sagt man: Junger Mann da gehen Sie noch mal drüber
Über den Bart
Das verstehe ich nicht sagt sie dann immer
Ja ich auch nicht sag ich dann
Aber et is so
Viele folgen ihrem Friseur oder ihrer Friseuse
Wenn die das Geschäft wechseln
Von Laden zu Laden
Bis daß der Tod euch scheidet
Und man sagt ja wirklich auch immer:
Mein Friseur oder Mein Anwalt oder Mein Apotheker oder
Mein Steuerberater oder Mein Zahnarzt
Ich hatte mal jahrelang „Meinen Steuerberater“
Aber als der fast erblindete bin ich nicht von ihm
Gewichen
Das war in Mainz
Obwohl meine Frau sagte du brauchst einen Steuerberater
In Köln
Das ist doch völlig unpraktisch und zeitraubend
Und was nicht alles
Aber ich wollte nicht mit fliegenden Fahnen
Das Lager wechseln nee
Bis dann schließlich mein alter Steuerberater
Sein Geschäft doch aufgab
Und jetzt hab ich in Köln
Direkt eine Treppe unter mir
Einen prima Steuerberater
Aber wie gesagt
Es mußte erst was Schicksalhaftes passieren
Merkwürdig ne
Und ich hab natürlich die ganze Zeit gedacht
Das ist nur bei dir so
Hab aber neulich festgestellt
Daß das bei vielen genau so ist
Da hab ich mich doch gefreut und getröstet
Bei meinem Friseur geht jetzt bald aus irgendwelchen
Privaten Gründen
Die ganze Belegschaft weg
Auf einen Schlag weg
Aber ich bleib in dem Laden
Man muß den Leuten eine Chance geben
Ein Leben lang
Sag ich immer
Sonst lohnt et sich nicht.
 
Hanns Dieter Hüsch
 
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.