Vor 195 Jahren starb Christoph Martin Wieland

Ein Besuch auf Gut Ossmanstedt

von Jörg Aufenanger

Christoph Martin Wieland

Wielands Land

 

Die Dielen knarren kaum noch, das Geländer zu den oberen Etagen schwankt nicht mehr, kein Putz bröckelt, die Spuren der Zeiten sind getilgt. Alles ist bestens restauriert, ist makellos und erscheint wie neu, dank Jan Philipp Reemtsma, der Wieland bewundert und Arno Schmidt, der seinerseits Wieland verehrte, und so Reemtsma neben dem Eremiten aus dem Heidedorf Bargfeld, ebenfalls Wieland. Eremit wollte auch Wieland werden, als er 1797 für 30 Tausend Thaler das Gut Ossmanstedt erwarb und sich dem Landleben hingab. 25 Jahre weilte er da schon in Weimar am Musenhof der Herzogin Anna Amalia, die ihn als Prinzenerzieher dorthin geholt hatte. Mit dem Epos „Oberon“ und den Romanen „Die Abderiten“, „Agathon“ und „Der goldene Spiegel“ war er zu einem populären Dichter geworden, der aber in Weimar inzwischen im Schatten Goethes stand. Zudem war ihm der unablässige Klatsch- und Tratsch am Musenhof zuwider geworden. Er flüchtete, indes nicht weit, denn das Gut Oßmanstedt liegt gerade einmal 10 Kilometer von Weimar entfernt. Wielands Landleben dauerte sechs Jahre. Der Traum vom holden Arkadien mündete in Langeweile. Das war zu allen Zeiten vor und nach Wieland nicht selten so.

 „Landluft, unverkünstelte Natur, viel Gras und schöne Bäume, äußere Ruhe und freie Disposition über mich selbst, das ist mein Element...Mir ist, als ob keine andere Art zu existieren für mich möglich sei“, schrieb Wieland, als er sich Oßmanstedt niedergelassen hatte. Sechs Jahre später liest man’s so: „Ich hätte dies Gut wohl nie kaufen sollen. Ich hatte vor 40 Jahren den poetischen Landjunker belacht. Nun ward’s ich selbst.“ Er kehrte 1803 nach Weimar zurück. Sein Fazit: „Nun habe ich dies alles abgestreift, und kann von nun an ruhig leben.“ Zehn Jahre noch.

 Auch Goethe hatte sich ein Jahr nach Wieland ein Landgut nahe Weimar in Oberroßla gekauft. Als „Feldnachbar“, bezeichnete Wieland ihn daraufhin. Goethe aber hielt die Einsamkeit und das Vis-a-Vis mit sich selbst, wie Wieland das Landleben nannte, überhaupt nicht aus, mied sein Landgut. Hinzukam: Beide taugten zum Bauern und Gutsherrn nicht, denn die Ernteerträge verursachten nur Schulden. Die kalten Winter und die nassen Jahreszeiten schädigten zudem die Gesundheit der Groß-Familie Wielands, und als seine Frau, seine „Alceste“, 1801 starb, verlor er endgültig die Lust am Landleben. „Die Natur ist unerbittlich“, notierte er.

 Übriggeblieben von Wielands Landleben sind der arkadische Park samt Rosarium, das Dichtergrab, der Brunnenhof und das schlossartige barocke Gutshaus, in dem seit 1956 ein Museum an Leben und Werk des Dichters erinnert. Nun ist es neu ausgestattet mit vielfachen Dokumenten, Original-Möbeln, Ölgemälden, die Wieland und Gäste zeigen, die den Versuchs-Eremiten häufig besuchten, wie Brentano, Kleist, Seume, natürlich Goethe, die Herzogin Anna Amalia. Italienische Landschaftsbilder zeugen vom arkadischen Traum im klammen Thüringen, Büsten Homers, Euripides und Voltaires vom Traum der Vernunft, Büsten von Sappho und  der römischen Faustina von erotischen Sehnsüchten. Wieland soll, obwohl er doch eine Frau und die junge Sophie Brentano im Haus hatte, die steinernen Geliebten mit Inbrunst liebkost haben.

„Jeder sollte einmal im Leben nach Oßmanstedt wallfahren“, zitiert Reemtsma im Museumskatalog  Arno Schmidt. Ein Euroradweg führt den Kulturtouristen von Weimar aus die Ilm entlang in wenigen Stunden über Tiefurt, dem Schloß Anna Amalias, in Wielands Kurzzeitparadies. Dem Museum beigefügt ist neuerdings ein Digitales Osmantium, das den Besucher auch virtuell durch das Dichterrefugium führt. Und wer bleiben und Wieland intensiv studieren will, der kann in der neu gegründeten Bildungsstätte auch übernachten, für  30 Euro pro Person im Doppelzimmer, Frühstück und Landluft inclusive.

 

© Jörg Aufenanger für den WDR - Online-Veröffentlichung in den Musenblättern 2008


Weitere Informationen unter: www.wielandgut.de