Es war ein Traum

von Ferdinande von Brackel

Ferdinande von Brackel, 1852
Es war ein Traum
 
Es war ein Traum -
und ach, wie war er sonnig,
wie freudenvoll und wie bezaubernd schön,
wie eines Frühlings erster Morgen:
doch ach, zu reizend auch, um zu besteh’n.

Es war ein Traum
so duftig wie die Rose,
die eben erst der Knospe sich entwand,
so spiegelnd lockend wie der Regenbogen, -
Doch rasch, wie jener, der entschwand.

Es war ein Traum,
der erste Traum des Herzens -
es war des jungen Herzens erster Mai;
es war das Glück, das sich ihm schimmernd zeigte:
und wie die Seifenblase sprang’s entzwei.

Es war ein Traum! -
hart war es, zu erwachen,
er hatte zu viel Seligkeit gebracht.
so folgt wohl auf den ersten Tag im Lenze
die eisig kalte Winternacht.

Es war ein Traum!
Jetzt ist er längst vergessen.
Daß einst ich träumt’, ich weiß es kaum;
zuweilen nur zuckst’s schmerzlich durch die Seele:
dann sag’ ich leis: „Es war ein Traum.“
 
 
Ferdinande von Brackel