Selbstporträt

von Arnim Juhre
Selbstporträt

Mein mund steht steinstumm.
Meine worte sind müd.
Sie sind so ungefüg.
Ich greife zum pinsel.
Mit ihm male ich spielend meine jahre
mal eine skala
lese dran ab.
Bei zehn steht: sextaner
bei siebzehn: soldat
bei neunzehn: gefangen
bei zwanzig: frei.
Freiheit denk ich
und fahre mit dem pinsel durch alle farben.
Hellrot schreibe ich vater vermißt.
Schwarzdunkelbraun : mutter verhärmt.
Und mit rosa strichen: geschwister hungrig und dünn.
Für mich aber finde ich die farben nicht.
Malen wollt ich den zeitungsreporter,
den landarbeiter, den angestellten,
den handelsvertreter und den und den und den
und wie ich den geschwistern nun vater sein muß.
Vor so viel freiheit zerlaufen die farben
laufen im senkrechten strich übers blatt
bleiben am untersten rand
in einer dunkelen träne.
Unten im bild ziehn die bürger vorbei
die masken von onkel und tanten.
Alle denken zur mir hinauf
schleichen auf langsamen treppen herauf
stehen dicht vor mir still.
Erst der letzte ist einer,
dunkelhaarig, ein kleiner
der will etwas sehen um zu verstehn.
Ich male ihn groß, wink ihn zur seite und sage:
»ganz langsam wolln wir die welt verändern.
Ich will sie umrändern
will zehntausend bilder
100 mal 100 als rahmen aufstelln.«
Und da gestehe ich es ein:
»Am liebsten male ich in grüner schrift
das ist, wenn ich in meinem garten stehe und denke
hier fehlt noch grünes und hier
und mein gedanke grün auf die beete fließt.«
Und da schreibe ich blau himmelblau: »komm freund«
und ich sag ihm: »gib acht daß du nicht
auf die gedachten beete trittst. «
 
Arnim Juhre


© Martin Juhre