Der Spott der kleinen Dinge

Wiefelspütz

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Wiefelspütz
 
Neulich bin ich ins Sommerloch gefallen. Ich sollte ein „Neulich“ schreiben. Aber es war Sommer, nichts passierte. Alles war wie immer: die FDP bei 2,8 Prozent, ein Tief über Skandinavien und Dieter Wiefelspütz sagte in wütender Traurigkeit, das könne man so nicht machen. Da fiel mir ein Prospekt für exklusiven Tierbedarf in die Hände. Der Prospekt war der Traum eines „Neulich“. Er war komisch ganz von allein. Es gab für 39,99 (bisher 49,99!) das Nagerheim „Galaxy Terrace, inklusive Röhrensystem“. Einem Sittich das Heim zu verschönern, schien dagegen geschenkt: Die Vogelbadewanne „Cleopatra“ war auf 1,99 heruntergesetzt. Es gab einen Holztierkleinstall namens „Woody Castle“! Dazu Ferienfischfutter „Holiday“! Schreib das auf!, dachte ich, schreib das auf!
Die Glosse schrieb sich von allein, ich lachte über den unglaublichen Witz, ich geriet in einen Pointenstrudel. Ich liebte mich für diesen Coup, ich dachte, so muß es gewesen sein, als Gott den Menschen machte oder Franjo Pooth ein Geschäft mit der Düsseldorfer Sparkasse! Dann las ich den Text meiner Frau vor.
     Meine Frau sagte: „Du hast bereits ein ›Neulich‹ über Tierbedarf geschrieben. Das war 2008“. Dann ging sie wieder dazu über, ihre Bleistifte anzuspitzen.
Benommen wechselte ich den Raum. Unter Tränen zerriß ich im Bad das „Neulich“. Besonders leid tat es mir um den famosen Schluß. Er handelte von einer Voliere, die „Darwin“ hieß, ihr zentraler Vorteil war die große Anflugklappe.
     Plötzlich saß meine Frau am Wannenrand und berichtete, die Verlobte des greisen Playboy-Chefs Hefner wolle ihn nun doch nicht heiraten.
     Ich fragte mich still, was sie mir damit sagen wollte, und tauchte unter. Unter Wasser dachte ich: Mit den „Neulichs“ ist es sommers wie mit Nachrichten von Rang, manchmal gibt es einfach keine.
 
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.