Rheinische Abschiede

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Rheinische Abschiede
 
Weil der Rheinländer nichts so sehr verabscheut wie das Endgültige, hat er auch vor dem Abschied großen Respekt. Jedes Abschiednehmen, auch das kleine im Alltag, hat ja eine Prise Endgültigkeit: „Bei jedem Avschiednemme bliev enem jo esu e klein Stückche Hetz in dä Hand“, dergestalt, daß es gemildert werden muß. Eine Möglichkeit, dem Endgültigen seinen Schrecken zu nehmen, ist, das, was einen schreckt, zu wiederholen. So laufen Kinder immer wieder in den dunklen Keller, damit er seinen Schrecken verliert, und genießen doch, daß sie immer noch ein bißchen erschrecken. Dem wahren Rheinländer birgt auch der Schlaf einen kleinen Schrecken, ist er doch „dä kleine Broder vum Dud“, deshalb freut er sich jeden Morgen aufs Neue darüber, daß es nun doch wieder hell geworden ist.
    Verabschiedet er sich also, z.B. am Telefon, so steht zunächst dieses grelle, endgültige „Tschöö“ im Raume. Nicht mit mir, sagt sich der Rheinländer, und fängt  mit der Wiederholungsarie an: „Tschöö ne... jjo...tschöhöö... eja..tschööö, ne...wie? ..jo jo jo...tschööhööö...jo sicher, ne, also dann: tschöö mit öö, ne, hehe, ja ja jojojo, tschöö, ne (absterbend) tschöö!“. Das kann, wir kennen es, Minuten dauern. Das ist aber noch nicht alles: Da wäre erstmal das berühmte „Also dann...“, die klassische rheinische Einleitung des Abschieds, dicht gefolgt von den rasch auszusprechenden Formeln : „In diesem Sinne...weiß Bescheid...maach et jot...bis die Tare“. Ganz absurd - und damit erst richtig schön - wird es aber, wenn er auf „Also dann“ eine Frage in präsentischer Vergangenheit folgen läßt, nämlich: „Bisse weg?“ (Nein, du lieber Himmel, er steht ja noch da, vor mir!) dem dann auch noch, wie das Amen in der Kirche, die Antwort „Jo!“ folgt (obwohl er noch da ist!). Er ist 'quasi' mit einem Bein in der Zukunft und sieht von da die Gegenwart (in der er mit dem anderen Bein steht) als Vergangenheit an. Das muß einer erst mal bringen, bevor er über die Rheinländer schimpft!
    Die Geschichte allerdings, derzufolge ein Sohn sich vom sterbenden Vater mit den Worten verabschiedet: „Also dann, in diesem Sinne, weiß Bescheid, ne, maach et jot, bis die Tare!“, diese Geschichte ist einfach erlogen.
 
 
Also dann, in diesem Sinne
 
Ihr
Konrad Beikircher