Die Einsamkeit wär gerne fröhlich

Ein Foto von Gerhard Notzem zu einem Gedicht

von Udo Weinbörner

Foto © Gerhard Notzem

Die Einsamkeit wär gerne fröhlich

Die Einsamkeit geht auf Reisen heut,
schleicht sich ans Meer in einen Hafen,
sie lauscht dem lauten Wellenschlagen
und kann oft nächtelang nicht schlafen,
tags will sie zur Unendlichkeit
nur sehnsuchtsvoll die Ferne sehn
und nicht den Horizont,
will immer weg, ist furchtbar leer
und stellt zu viele Fragen.

Die Einsamkeit ist nicht allein,
die Schwester heißt Romanze,
sie deckt den Tisch kredenzt den Wein,
die Reisende will unverbindlich sein,
doch grell geschminkt geht sie aufs Ganze.
Sie greift zum Glas im Überdruß und weiß doch nicht zu zechen
vor Sehnsucht nimmt sie alles schwer,
sie singt so nebenher von gebrochenen Versprechen.

Die Einsamkeit wär gerne fröhlich,
treibt's bunt und manchmal auch gewöhnlich;
die Liebe wohnt gleich nebenan, sie streiten viel,
wer Kapitän, wer Steuermann,
im Logbuch stehn nur Lügen,
der Himmel strahlt vor Eifersucht,
sie legen Rettungswesten an
und kokettieren mit dem Untergang,
doch der Kompaß kennt den Kurs, das Ziel
und läßt sich nicht betrügen.
 

Udo Weinbörner
 


Aus:
Udo Weinbörner – „Zart will ich dich berühren“