Bilder aus einem „Zwischenreich“

Kunsthalle Emden – Meisterwerke von Paul Klee

von Jürgen Koller

Paul Klee, Rote und weiße Kuppeln, 1914
Bilder aus einem „Zwischenreich“
 
Kunsthalle Emden – Meisterwerke von Paul Klee
 
 
Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.
Paul Klee
 
Erneut setzt die Kunsthalle Emden ein gewichtiges Zeichen der Kunstvermittlung – verlängert bis zum 19. Juli 2015 ! - werden 75 Meisterwerke Paul Klees aus dem Besitz der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen präsentiert. Diese Schau gewährt einen Einblick in das Schaffen Klees anhand aller Werkgruppen. Der Künstler, am 18. Dezember 1879 nahe dem schweizerischen Bern geboren, studierte ab 1900 an der Münchner Akademie in der Klasse von Franz Stuck. Paul Klee als einer der bedeutendsten Vertreter der Klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts praktizierte über Jahrzehnte hinweg in seinen über 9.000 Werken der Malerei und Arbeiten auf Papier bei allem inneren Gleichmaß einen Prozess des Stil-Wandels. Tiefe Gedanklichkeit und Tragik bestimmen das Werk im gleichen Maße wie Groteskes, Ironisches und Komisches. Doch wird das bei Klee niemals „spaßiges Liniengeflecht oder skurrile Idylle“. Mit der noch ein Jahrzehnt vor dem 1. Weltkrieg satirisch gefaßten Werkgruppe der Karikaturen war ihm publizistisch kein Erfolg beschieden – den Karikaturen fehlte wohl der aktuell zündende Witz. In München beteiligte sich Klee 1912 an der Ausstellung des „Blauen Reiters“, außerdem beschickte er den Ersten Herbstsalon 1913 von Herwarth Walden und die Galerie „Der Sturm“. Erst mit der Reise nach Tunis im Jahre 1914, gemeinsam mit August Macke und Louis Moilliet, erschloß sich dem inzwischen 34jährigen Künstler die Farbe.
Im Jahre 1921 folgte er dem Ruf von Walter Gropius an das Weimarer Bauhaus. In dieser Bauhaus-Periode verfolgte Klee - im ständigen Dialog mit seinen streitbar-renommierten Künstlerkollegen - in seinen Malereien geometrische bzw. konstruktivistische Tendenzen. Das führte zum „bildnerischen Denken“ in klarer Formsprache, andererseits findet sich weiterhin eine poetische Welt, die Botanisches, Zoologisches, Architektonisches und Psychologisches zusammenführt. Das ging hin zur „typischen Klee-Szenerie, zur poetisch-hintergründigen Kauzerei, geformt aus verspielt dahingleitenden Linien, nicht abstrakt, doch auch nicht exakt die Dinge beschreibend, naiv, und phantastisch in einem, Bild aus einem Zwischenreich – ein Begriff, der für Klees Kunst gefunden und immer wieder verwendet worden ist“ (Lothar Lang). Ende der Zwanziger Jahre war Paul Klee im künstlerischen Zenit, so richtete ihm die Galerie Flechtheim in Berlin 1929 zum 50. Geburtstag und nochmals 1930 jeweils repräsentative Ausstellungen ein, letztere wurde vom MOMA in New York übernommen.


Paul Klee, Das schamlose Tier 1920
 
Noch ein Wort zur Funktion der Linie bei Klee - ihm diente die „Linie“ nicht als bloße Sachbeschreibung, sondern als Inhalt, nur so ist Klee zu verstehen. Letztlich wird erst dadurch die Wandlung des zeichnerischen Stils begreifbar. Die Bildgehalte bedingen den 'linearen Stil', das ist die „grafische Materialisation eines Gedankens, der aus der Wirklichkeit, aus einem Traum oder aus der Phantasie in das Bewußtsein gekommen ist“ (L.Lang). Wichtige Impulse für seine malerische Arbeit hinsichtlich von Licht und Farbe fand Klee auf seiner Ägypten-Reise 1929/1930. Das Licht verwandelte die strukturierten Flächen bei Klee in einen immateriellen Farbraum, und „die Bindung des Lichts an die schwerelosen Farben verleihen den Werken dieser Stufe ihren besonderen Charakter der heiteren Meditation“ (Paul Vogt). Der Augeneindruck, die Erinnerung an eine Vorstellung gehen in den Prozeß des Bilderfindens ein und so bewahrheitet sich das Wort Paul Klees von der „Synthese des äußeren Sehens und inneren Schauens“.
 

Paul Klee, Heroische Rosen 1938

Das Spätwerk Paul Klees, etwa ab 1935, ist von einer beginnenden schweren Erkrankung und von der heraufziehenden deutschen Katastrophe geprägt, alles in allem Ausdruck menschlichen Mitleidens im doppelten Sinne. Dazu kam noch, daß er seine Lehrtätigkeit an der Düsseldorfer Kunst-Akademie, die er erst 1931 begonnen hatte, auf Druck der Nationalsozialisten 1933 zwangsweise aufgeben mußte - er wurde fristlos entlassen. Im Dezember des gleichen Jahres siedelte Klee nach Bern über, wo sein Vater und seine Schwester lebten. In der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München 1937 wurden 17 Arbeiten von Klee gezeigt, insgesamt wurden 170 Arbeiten aus öffentlichem Besitz von den Nazis beschlagnahmt. In diesem für Klee so schweren Jahr wurde er von Picasso, Braque und Kirchner besucht, auch mit Kandinsky traf er wieder zusammen. Einst hatten sie zusammen eines der Meister-Doppel-Häuser in der Dessauer Bauhauszeit bewohnt.
Paul Klees Werk war in diesen Jahren düsterer Ausdruck von Todesahnungen. Oft war der Künstler im „Dialog mit sich selbst“ und führte „Zwiesprache mit den jenseitigen Mächten“. Die späten Zeichnungen sind oftmals schwere, schwarze Hieroglyphen, die sich einer Deutung verschließen, vieles hat der Künstler bewußt offen gelassen. Ähnliches in seiner großformatigen Malerei – strenge Formzeichen, die wie „Metapher auf einfache, stumpfe Flächen“ geschrieben sind. In einem Brief an Will Grohmann schreibt er am 2. Januar 1940: „Natürlich komme ich nicht von ungefähr ins tragische Geleis, viele meiner Blätter weisen darauf hin und sagen: Es ist an der Zeit.“ Und so bleibt nur zu sagen „Klee hat seinen Weg ausgemessen“. Paul Klee ist am 8. Juni 1940 in Locarno-Muralto an Herzlähmung auf Grund schwerer Sklerodermie gestorben.
 
Nachsatz: Zu Paul Klee als Künstler und zu seinem Werk gibt es Regalmeter Sekundärliteratur, trotzdem möchten wir die interessierte
Leserschaft noch auf das Buch „Zwitschermaschine und andere Grotesken“, erschienen 1981 beim Ost-Berliner Eulenspiegel Verlag, mit einem fundierten Nachwort von Lothar Lang, hinweisen. Mit über 200 Abbildungen, teils farbig, wird das grafische Werk Paul Klees von den karikierenden Anfängen bis zu den strengen Formzeichen am Ende seines Lebens vorgestellt. Das Buch ist preisgünstig nur noch antiquarisch erhältlich.
Auf dem Schutzumschlag ist das Gemälde „Narr in Trance“, Öl, 1929, abgebildet.


PAUL KLEE! Meisterwerke aus der Sammlung Nordrhein-Westfalen
noch bis zum 19. Juli 2015 in der
Kunsthalle Emden / Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo Hinter dem Rahmen 13 - 26721 Emden
Tel. 04921-97 50 50 oder 97 50 0
 
Öffnungszeiten:
Di bis Fr 10 bis 17.00 Uhr, Sa., So/Feiertage 11 bis 17 Uhr,
Mo geschlossen
jeden 1. Dienstag/Monat 10 bis 21 Uhr (Kunstabend)
 
Redaktion: Frank Becker