Strohdumme Geschichte + S/M weichgespült

„Fifty Shades of Grey“ von Sam Taylor-Johnson

von Renate Wagner

© Universal Pictures / Focus Feature
FIFTY SHADES OF GREY
USA / 2015


Regie: Sam Taylor-Johnson
Mit: Dakota Johnson, Jamie Dornan, Jennifer Ehle, Marcia Gay Harden, Max Martini u.a.

Wahrlich, der Marquis de Sade hat umsonst gelebt. Was er der Welt einst als Höchstprozentiges eingegossen hat, wird in unseren Tagen zum Kamillentee – und findet Millionen Leser (und nun wohl auch Kinobesucher), weil die britische Autorin E. L. James, die sich hier einen harmlosen Ausflug ins Sado-Maso gibt, das Ganze so Publikums- und Teeneger-schlicht angerührt hat, daß sie auf die Züge von „Twilight“, „Harry Potter“ und Co. aufspringen konnte.
„Fifty Shades of Grey“ wurde millionenfach auf der ganzen Welt verkauft, ein Groschenroman für romantische Leserinnen, in deren Leben nichts passiert und die hier als Ersatz „etwas Aufregendes“ geboten bekommen. Zwischen Buchdeckeln gibt es auch schon zwei Fortsetzungen. Und diese werden wohl auch dem Film nicht erspart bleiben…
Das Medienspektakel um die Verfilmung ging sehr geschickt vor, um den Hype hochzuheizen: Premiere bei der Berlinale, Pressevorführung allerorten in letzter Minute, damit man nichts Genaues wußte – und ein Kartenvorverkauf, der allein in Österreich in die Zehntausende ging, so groß war das Bedürfnis, sich Bondage und Peitschen nicht bloß vorzustellen, sondern auf der Leinwand vorgeführt zu bekommen. Nun, man soll sich nicht zu viel erwarten…
 
Die Geschichte ist strohdumm, nach den konventionellsten Wünschen der armen, kleinen Durchschnittsmädchen zugerichtet. Wer wünschte sich nicht, die Aufmerksamkeit eines Millionärs aus dem Bilderbuch zu erwecken und von diesem beharrlich umworben zu werden? Da ließe sich auch manche auf Sado-Maso-Spielchen ein…
Gleich zu Beginn die Antithese: Christian Grey wählt aus einer Unzahl von Hemden, Anzügen, Krawatten und kostbaren Accessoirs in seiner Luxuswohnung in Seattle, um sich in den coolen Chef eines Riesenimperiums zu verwandeln. Anastasia Steele schwingt sich in ihren alten VW-Käfer, die Haare wirr, die Kleidung höchst bescheiden, um anstelle ihrer erkrankten Freundin mit dem großen Mann ein Interview für die Studentenzeitung zu führen. Ist das nicht Wunscherfüllung extremen Ausmaßes, als der geheimnisvolle Mr. Grey sich für die ganz normale Literaturstudentin interessiert und ihr sogar auf ihren unspektakulären Arbeitsplatz, einen Hardware-Laden, folgt, wo er – Achtung! – Seile, Klebebänder, Kabelbinder kauft…
 
Regisseurin Sam Taylor-Johnson geht mit der Geschichte so sanft und elegant um wie nur möglich – da sieht man doch die längste Zeit glatt die echte Story einer Werbung, bis Mr. Grey sein grau-schattiertes Innenleben offenbart und den Wunsch nach einer Sex-Sklavin kundtut. Es dauert weit über eine Stunde, bis es dann bei diesem Sex ein bißchen – ein kleines bißchen – härter zugeht. Und am Ende, wenn sich die Machtverhältnisse ein wenig verschieben, ist klar: Fortsetzung folgt.
Keine Frage: ein bißchen „härterer“ Sex, der auf der Leinwand nie zum Hardcore-Porno entgleist, ist nicht Zentrum des Films, sondern reine Dekoration. Man fragt sich allerdings, warum man ein Thema, das ja immerhin brisant und auch psychologisch spannend sein könnte, so weichgespült wegwirft. Es ist existiert ja, es würde verdienen, auch einmal radikal behandelt zu werden, wenn schon, denn schon… Aber hier gibt es nur Teenie-Schlatz…
Berühmte Darsteller haben sich von der Verfilmung des übel beleumdeten Romans fern gehalten, was in unserer Zeit eigentlich seltsam ist, wo kaum mehr etwas schockiert (und das schon gar nicht!!!) – und man muß sich nur erinnern, was „mutige“ erotische Filme einst (wie „Der letzte Tango in Paris“) an Nachhaltigkeit erzielten. Geworden ist es eine No-Name-Besetzung, die in einem Fall gut, im anderen weniger überzeugend ausgeht.
 
Dakota Johnson ist die Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson. Sie hat nicht den seltsamen Zauber, den ihre Mutter als junges Mädchen ausstrahlte, und nicht das herausfordernd gute Aussehen ihres Vaters, als er jung war, sie ist eher ein Durchschnittstyp, aber genau das macht ihre Anastasia Steele zum Identifikationsobjekt. Mit großen, beschwörenden Augen blickt sie auf Mr. Grey und kämpft mit bemerkenswerter Persönlichkeitsstärke um eine ganz „normale“ Beziehung, zu der ihr Erwählter nicht imstande ist. Auch wenn sie sich auf seine Sexspiele einläßt (die nie wirklich hart oder gar erschreckend von der Leinwand kommen), tut sie es nicht aus Neugier oder Unternehmungslust, sondern weil sie Grey erobern und begreifen will. In einem – nicht sehr ernsten – Psychospiel, wo es letztendlich um Macht geht, ist sie im Grunde immer die Stärkere.
Jamie Dornan hingegen, ein hübscher Ire, erscheint viel zu weich. Christian Grey ist ein einziges Bündel Komplexe, und dergleichen kann man spielen – mit Härte, mit Unberechenbarkeit, mit Verunsicherung, mit Bedrohlichkeit. Nichts davon, er ist immer nur hübsch und wirkt nur wie – ein Weichei, ein Traummann, um dem man nur herumträumen kann… Was hinter seiner S&M-Besessenheit steckt, ein „Dominus“ sein zu müssen (auf Englisch heißt es „Dominant“, was ist bei uns das Pendant zur „Domina“?), wird nicht klar – und so neugierig, daß man deshalb den Roman läse, ist man auch wieder nicht…
Die freundliche Regisseurin, die sich mehr für Liebe zu interessieren scheint als für Sex in seinen von der Norm abweisenden Formen, befriedigt auch noch weitere Zuschauerinnen-Bedürfnisse, indem die Welt des Millionärs (mit exquisiter Wohnung, Autos, Helikoptern, Chauffeur – ja und auch das sehr exquisite „Spielzimmer“ mit all den Peitschen, Handschellen und sonstigen Instrumenten) in aller lustvoller Ausführlichkeit hingemalt wird. Lustvoller als der Sex jedenfalls.
 
Sagen wir es, wie es ist: „Fifty Shades of Grey“ ist eine knüppeldicke Romanze ganz herkömmlichen Zuschnitts, die ihr Sado-Maso-Versprechen nur höchst „soft“ einlöst. Keine Angst, da wird mit Peitschen nur gestreichelt… das halten auch zarte Gemüter locker aus.
 
Renate Wagner