Unvergessen: Dieter Hildebrandt

Seine „Klamödien“ und sein letztes Programm

von Frank Becker

 

         

 


 
Unvergessen: Dieter Hildebrandt
Seine „Klamödien“ und sein letztes Programm
 
Ein Glücksfall für die Dokumentation der Kabarettgeschichte sind die beiden jüngsten, vor wenigen Wochen von Wolfgang Dresler in seinem engagierten Kabarett-Projekt veröffentlichten DVDs, eine mit der Aufzeichnung von Dieter Hildebrandts letztem Programm vor genau zwei Jahren in Soest „Ich kann doch auch nichts dafür…“ (2013) und mit einem Griff in die TV-Klamottenkiste, mit dem er Hildebrandts Komödien „Star im Nest“ und „Wurm im Bau“ dem Vergessen entreißt.
 
„Das Vermächtnis des größten deutschen Kabarettisten: Jeder, der das Glück hatte, Dieter Hildebrandts letztes Kabarett-Programm live zu erleben, war begeistert, mit welchem Wortwitz und Scharfsinn die lebende Kabarett-Legende modische Unsitten, mediale Verblödung oder politische Volltrottel aufs Korn nahm. (…) Im Februar 2013 ließ Hildebrandt sein Soloprogramm "Ich kann doch auch nichts dafür" von Rüdiger Daniel, einem befreundeten Fernsehproduzenten, aufzeichnen. Es war ein scheinbar ganz gewöhnlicher Abend – doch diese Aufzeichnung ist das letzte Dokument eines Hildebrandt Bühnen-Auftritts. Das Vermächtnis des großen Dieter Hildebrandt, der auch nach fast 60 Jahren auf der Bühne noch ganz der Alte ist: böse und witzig, bissig und charmant, sehr persönlich und mit der Weisheit von 85 bewegten Jahren.“

Passend zur eben humorvoll brodelnden Karnevals-Session Dieter Hildebrandts Eröffnung damals: „Man muß an diesem politischen Aschermittwoch mal teilgenommen haben – und am Karneval, wenn man den Zuwachs an Verblödung im Lande wahrnehmen will.“ In den auf-/ausgezeichneten 90 Minuten kann man als Zuschauer ein letztes Mal vom Scharfsinn und Witz dieses einzigartigen Kabarettisten überzeugen, dessen Name untrennbar mit einem der besten deutschen Kabaretts nach 1945, der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, mit den „Notizen aus der Provinz“ (ZDF) und dem skandalträchtigen „Scheibenwischer“ des SFB/BR verbunden ist.
 
Dieter Hildebrandt – „Ich kann doch auch nichts dafür“
© 2014 Tacker Film / Dibsfilm Rüdiger Daniel, ca. 110 Minuten, Bildformat  16:9
Die DVD enthält als Bonus Interviews mit Dieter Hildebrandt und Renate Küster-Hildebrandt.

 
Die „Klamödien“
 
Aber auch als Drehbuchautor und Schauspieler hatte Dieter Hildebrandt einiges zu bieten, unter anderem ist er durch seine Bearbeitung und die Darstellung des Dr. Murke in Heinrich Bölls „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ vielen in Erinnerung, und zu den zu Silvester über viele Jahre meist-wiederholten Filmen gehörte sein „Streichquartett“. Zwei köstliche Funde aus dem SWR-Archiv finden sich auf einer weiteren Hildebrandt-DVD die Komödien „Star im Nest“ und „Wurm im Bau“, beide 1973 vom damaligen SDR mit Publikum live gesendet, was ihren besonderen Reiz ausmacht. In „Star im Nest“ gibt Hildebrandts langjähriger Kabarett-Weggefährte Hans-Jürgen Diedrich einen Fernsehstar, der das Leben der Familie Meusel (Hildebrandt, Edith Hancke, Stephan Schwartz) gehörig durcheinanderwirbelt. Mit dabei u.a. Dietz Werner Steck, Siegurd Fitzek, Inken Sommer und Hans-Hermann Schaufuß. In „Wurm im Bau“ spielen Diedrich und Hildebrandt zwei eher dem Bier als der Arbeit zugeneigte Bauarbeiter, die das Bauprojekt und die halbe Stadt durch ihre Unfähigkeit ins Chaos stürzen, aber auch einige interessante Enthüllungen ermöglichen. Auch hier sind so wunderbare Schauspieler wie Bruni Löbel, Paul-Edwin Roth, Eva Kinsky, Rainer Basedow, Walter Jokisch, Siegurd Fitzek, Achim Strietzel und Hans Timerding beteiligt – ein reines Vergnügen. Dieter Hildebrandt hat seine köstlichen Stücke in Tradition der Farce übrigens „Klamödien“ genannt. Und das sind sie im besten Sinne auch.

Dieter Hildebtandt:
Star im Nest und Wurm im Bau
© 2014 Tacker Film / SWR - Ein Interview Dieter Hildebrandts zu seinem 60. Geburtstag 1987 mit Wieland Backes rundet diese DVD.
Gesamspieldauer 173 Minuten
 
Tip: Tacker Film hat auch weitere DVDs mit Programmen von Hanns Dieter Hüsch, Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, den Stachelschweinen, dem Kom(m)ödchen und Werner Finck im Programm.
 
Informationen: www.tackerfilm.de