Am Ziel vorbei

Arwed Messmer - „Reenactment MfS“

von Robert Sernatini

Am Ziel vorbei
 
Es muß einem fühlenden Betrachter noch heute Frösteln verursachen, wenn er die Fotografien des Bandes mit dem recht ungeschickten Titel „Reenactment MfS“ anschaut, Bilder, die in nüchterner Sachlichkeit die perfiden Methoden, die Schrecken des Grenzkontrollsystems der DDR und deren Erbarmungslosigkeit dokumentieren. Erich Mielkes Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR hat in kalter deutscher Gründlichkeit die Spuren gelungener und verhinderter Fluchtversuche und festgenommene „Grenzverletzer“, die aus der Sicht des Unrechtsstaates DDR Verbrecher waren, fotografisch festgehalten. Es sind Bilder, deren Dramatik sich alleine durch das Sujet erschließt, allenfalls einer kurzen Erklärung zu Ort, Zeit und Anlaß bedürfte.
 
Der Fotograf Arwed Messmer, dessen Buch „Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer.“ wir unseren Lesern vor vier Jahren vorgestellt haben, setzt mit seinem neuen Projekt seine Aufarbeitung staatlicher DDR-Fotoarchive fort. Kommentarlos reiht er 146  Fotodokumente aneinander, die vielfach selbsterklärend sind. Ein beigelegtes zweisprachiges Heft (deutsch/englisch) gibt ausführliche Erläuterungen und zeigt die Quellen auf.
Allerdings befremdet es, daß Messmer dabei die in Verbindung mit den Originalakten in ihrer dokumentarischen Aussage eindeutigen Fotos bearbeitet und teils inszeniert hat, sie nun als eigenes künstlerisches Produkt präsentiert. Damit geht er mehr als einen Schritt zu weit, was dem Vorhaben einen gewissen, ja sogar etwas strengen Hautgout gibt. Arwed Messmer scheint in seinem Eifer vergessen zu haben, daß es um Menschenschicksale geht. Eine Dokumentation zur Aufarbeitung eines düsteren Kapitels deutscher Geschichte samt seiner grauenhaften Folgen wäre aller Ehren wert gewesen. Eine „Re-Inszenierung MfS“, zumal unter dem anglisierten Titel „Reenactment MfS“ wirkt effekthascherisch peinlich, sie ist, wie es Arwed Messmer  getan hat, im hohen Grad geschmacklos. Hier auf Bilddetails einzugehen, verbietet der Respekt vor den Betroffenen.

Es gibt Bücher, welche die Welt nicht gebraucht hätte. „Reenactment MfS“ ist so eines.

Arwed Messmer -
„Reenactment MfS“
© 2014 Hatje Cantz, 256 Seiten/146 Fotos, gebunden, 17,5 x 24,6 cm, mit 32-seitigem Begleitheft - ISBN 978-3-7757-3911-5
35,- €
 
Weitere Informationen: www.hatjecantz.de  
 
Redaktion: Frank Becker