Erst mit der großen Stille fängt die Seele an zu schreiben

von Hanns Dieter Hüsch

Erst mit der großen Stille fängt die Seele an zu schreiben

Und läßt uns sanft und sicher werden
Und sorgt dafür, daß unsre Augen milde bleiben.
Nun wanderst du und setzt den Fuß aufs Ländliche
Daß dich und ein Gemüt erhält
Der Riesenwahn, das Unverständliche
Sie fliehn vor deinem Gang und Flur und Feld
Begegnen dir so schwesterlich, so alt und ungebrochen
Als hätten Tier und Pflanze das erste Wort gesprochen.
Als damals sich das Feuer auf den Hügeln zeigte
Und Tassilo zum Zweikampf schritt
War schon die Schwalbe unterwegs und tröstete
die Frauen
Und wenn sich auch die halbe Welt vor Karl verneigte,
Die Stille ists, die überlebt.
Dem Baum, der schweigt, ist tiefer zu vertrauen
Als allen Redensarten
Als allen Zungen, die sich laut vermischen
Es ist die Stille, die zur Kunst entfacht,
Geschichte macht,
Solang, bis wir den Schmerz von unsren Stirnen wischen.
Die Treue hat sich nie geschont
Sie ist des Alters schönstes Kind
Bei allen Rätseln war sie stets zu Gast
Sie hat im Armenhaus gewohnt
 

Hanns Dieter Hüsch
1973