Theaterwüterich Johann Kresnik wird 75 Jahre

von Andreas Rehnolt

Theaterwüterich Johann Kresnik wird 75 Jahre
 
Der Tanztheater-Choreograph brillierte auch auf NRW-Bühnen
wie in Köln, Essen und Bonn
 
Von Andreas Rehnolt
 
Für die einen ist er ein begnadeter Choreograf, der in seinen Inszenierungen atemberaubende Bilder schafft. Für die anderen ist er vor allem ein Wüterich, der mit Krach und Farbe die Bühne in ein Schlachtfeld verwandelt. Die Rede ist von Johann Kresnik, der heute, am 12. Dezember seinen 75. Geburtstag feiert. Auch im Rentenalter ist er mit seinen Inszenierungen vom Tanztheater immer noch zornig, leidenschaftlich und politisch, wie er in den letzten beiden Jahren unter anderem in Berlin und Heidelberg gezeigt hat.
Kresnik hat auch in NRW vielfach seinen Stempel hinterlassen. An seinem 65. Geburtstag etwa gab es am Bonner Opernhaus die letzte Aufführung seines genial-düster-gespenstischen „Goya“ zu sehen. Und nur wenige Tage später erlebte am selben Ort seine bundesweit Aufsehen erregende Inszenierung „Hannelore Kohl“ über das Leben der früheren Kanzlergattin ihre Uraufführung. Seit 2003 war Kresnik mit seinem Ensemble in Bonn unter Vertrag. Im April 2005 feierte dort sein Stück „Hundert Jahre Einsamkeit“ nach dem Roman von Marquez Premiere.
 
Der 1939 als Sohn eines Bergbauern im österreichischen Kärnten geborene Kresnik ist - vermutlich immer noch - aktiver Kommunist und überzeugter Atheist. Immer wieder in den vergangenen 40 Jahren sorgten seine spektakulären Tanztheater-Inszenierungen auch für Skandale. Unvergessen seine Inszenierung „Die zehn Gebote“ in Bremen mit zehn älteren nackten Frauen in einer Kirche. „Theater muß aggressiv werden, neue Formen und Bilder schaffen, um den Zuschauer wieder neugierig zu machen“, sagte er über sein Choreografisches Theater.
Unbequem will der oft als „Theater-Berserker“ bezeichnete Künstler sein und unbequem sind auch fast alle die historischen Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik, die er vielfach in den Mittelpunkt seiner getanzten Biografien stellt. Egal ob Frida Kahlo, Picasso, Nietzsche, Goya, Ulrike Meinhof, Leni Riefenstahl, Rosa Luxemburg oder Pasolini, um nur einige seiner Werke zu nennen. Allesamt gelten sie als politische Ikonen, als Schmerzenskünstler oder Haßgestalten, mit denen Kresnik in seinen Inszenierungen mal in Liebe, mal in Abscheu verschmilzt. Kritiker und Fans nennen ihn mal „Enthüllungsbiograf“ oder auch „phantasiebegabter Direktor des surrealen Assoziations-Theaters“. Auf jeden Fall zeigte er - auch in Bonn oder Essen - seine choreografische Virtuosität.
 
Nach einer Lehre als Werkzeugschlosser kam Kresnik als Statist zum Theater. Sein Debüt als Tänzer gab er als Eunuch in dem Ballett „Scheherazade“. In Köln erhielt er 1964 einen Solovertrag, hier stellte er sich auch erstmals als Choreograf vor. Mit dem Tanzstück „Paradies?“ über das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke schuf er nach Jahrzehnten wieder eine deutsche politische Choreografie. Zehn Jahre war Kresnik Ballettmeister in Bremen, wo er seinen eigenen, radikalen Ballettstil entwickelte, dem er bis heute treu geblieben ist.
Immer wieder gab der „Bilderberserker“ auch seinen Anti-Amerikanismus zu erkennen. Ob in „Hundert Jahre Einsamkeit“ oder in „Jedermann“, vor Jahren im Grillo-Theater Essen. Häufig wurde er gescholten, aus mehreren Städten „vertrieben“. Das alles scheint dem ihm nicht viel auszumachen. Theater muß für ihn politisch sein. „Wir dürfen nicht nur Unterhaltung, sondern müssen Stoff für Diskussionen anbieten“, erklärte er mal in einem Interview. Kresnik gilt auch als Perfektionist, der in seinen Inszenierungen nichts dem Zufall überläßt. Es ist etwas ruhiger geworden um ihn, doch bleibt er unvergessen auch durch seine zahlreichen Inszenierungen in vielen europäischen Ländern sowie unter anderem auch in Mexiko, Rußland und Südamerika.