It´s only a paper moon…

„The Living Paper Cartoon“ - Grandiose Illusionen und perfekte Parodien mit Ennio Marchetto

von Frank Becker

© Ennio Marchetto
It´s only a paper moon…
 
Grandiose Illusionen und perfekte Parodien mit Ennio Marchetto
 
Auf Knien muß man zunächst der/dem Verantwortlichen des Teo Otto Theaters Remscheid danken, die/der die Weitsicht hatte, den weltweit gefragten Venezianer Ennio Marchetto  mit seinem verblüffenden Programm „The Living Paper Cartoon“ in das stilvolle Haus im Herzen des Bergischen Landes zu holen. So ein exquisites Bühnen-Zuckerl gehört zu den wirklichen Glanzlichtern der gehobenen Kleinkunst. Und ich verharre gleich weiter in dankbarer Haltung, um Ennio Marchetto selbst, sicher auch im Namen eines völlig begeisterten Publikums, ergeben für einen atemlosen, unvergeßlichen Abend brillanter Unterhaltung unseren Dank abzustatten. Chapeau!

Wovon ich hier so schwärme, will ich versuchen zu beschreiben: Ein quirliger Mann als lebende „Plakatsäule“, ungezählte mehrschichtige Falt-, Klapp-, Abreiß- und Wendebilder auf Papier, hinter denen er steckt, eingängige populäre Melodien und Charaktere – überwiegend aus der Unterhaltungskunst, atemberaubendes Tempo und Witz auf höherer Ebene sind die Versatzstücke der 70-minütigen Show, mit der er wie überall in der Welt auch in Remscheid sein Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriß, wenn auch der Saal bedauerlicherweise nur knapp zur Hälfte gefüllt war. Jene, die nicht da waren, weil sie Marchettos Papiertheater zu gering geschätzt haben, müssen es ihr Leben lang bereuen, denn soviel humorvolle Eloquenz wie in Marchettos optisch-akustischer Lachmedizin bekommt man nicht oft geboten.
 
Man darf, ohne zu übertreiben, Ennio Marchettos Konzept der zwei- bis dreidimensionalen musikalischen Karikatur als einzigartig, ja genial bezeichnen. Ungefähr 50 Opern-, Pop- und Rock-Sängern, es können auch ein paar mehr gewesen sein, verleiht er in 70 Minuten Gestalt und Charakter. Seine mit höchster Kunstfertigkeit erdachten, raffiniert gefalteten und geschichteten, nur scheinbar flachen Papier-Kostüme erwecken, mit wenigen Handgriffen verwandelt, umgeklappt oder gesteckt zu musikalischen O-Tönen aus dem Off Figur um Figur zum Leben. Karikativ bringt er mit scharfer Beobachtungsgabe und einfachen Strichen von allen das Typische in Kleidung, Stil, Frisur und Make-Up auf den Punkt. Kombiniert mit der den jeweiligen Originalen akkurat abgeschauten Körpersprache, Mimik sowie choreographiert mit sofort wiedererkennbaren Bewegungsabläufen schafft Marchetto die plakative Illusion lebendig gewordener Stars. Ein Cartoon-Band mit zahllosen bunten Seiten.
 
Nur eine kleine Auswahl (man kommt ja, auch vor Lachen, kaum mit dem Mitschreiben nach): Madonna, Cher mit „Believe“, Luciano Pavarotti +

                                                     © Ennio Marchetto
Freunde mit geschmettertem „O sole mio“, Marilyn Monroe (mit gehauchtem „Pooh pooh bee doo!“), Prince, die veralberte Mona Lisa, Elizabeth II, Dolly Parton, die mit wogendem Papierbusen Bruce Springsteens „Born in America“ entspringt, der Dalai Lama, die röhrende Bonnie Tyler, Helene Fischer (atemlos, aber mit Sauerstofflasche), Marlene Dietrich, Maria Callas (im respektlosen Profil mit der Habanera aus „Carmen“), Lady Gaga, Boney M., Elvis Presley mit dem „Jailhouse Rock“, Marianne Rosenbergs Dauerbrenner „Er gehört zu mir“, Nina Hagen, Rex Gildo, der unverwüstliche Heino, Rhianna, Shirley Basseys „Goldfinger“, Soer Sourire, James Bond, eine Bauchtänzerin, ein fetter Rapper, Adele mit „Skyfall“ und und und… feiern fröhliche Urständ´. Wagners wuchtige Walküre wird windeseilig (und wie alles andere zum Schreien komisch) zu Margot und Maria Hellwigs entsetzlichem „Servus, grüezi und hallo!“. Kaum weniger entsetzlich ist Celine Dions Titanic-Kitsch „My Heart Will Go On“ – Ennio Marchetto macht´s deutlich.
 
Unter all den gefeierten knackigen Nummern, für deren Vorbereitung hinter einem Vorhang Ennio Marchetto allenfalls 5-10 Sekunden benötigt, gehörten zu den am meisten umjubelten Karel Gotts „Biene Maja“,  Udo Lindenbergs „Sonderzug“, der wunderbare Freddie Mercury, dessen „I want to break free“ selbst in der zahnreichen Karikatur unter die Haut geht, die kleinwüchsige Edith Piaf, Tina Turners „Simply the Best“, Michael Jacksons „Bad“.
Marchettos Motto wurde in der Zugabe durch seine Parodie auf Katja Ebsteins „Theater“ (Sie setzen jeden Abend eine Maske auf) manifest. Er hat die Maske zur Perfektion gebracht. Und er hat noch viel mehr im Repertoire, schaut man sich seine Web-Seite an. Als nach 75 köstlichen Minuten, jubelndem Applaus und Bravi der Vorhang fiel, entließ der Künstler ein sichtbar glückliches Publikum.
 
Die Musenblätter verleihen Ennio Marchetto ihre höchste Anerkennung, den Musenkuß – und gäbe es das, den sogar am Bande.
 
Weitere Informationen: www.enniomarchetto.com/