Männer brauchen Grenzen

Der gemobbte Mann

von Tina Teubner

© Tina Teubner
Der gemobbte Mann
 
Natürlich gibt es auch den allein gebliebenen, olgafreien Holger. In der Regel ist er noch anstrengender, weil er keine Olga hat, auf der er sein Genöle abladen kann. Sie kennen ihn. Ich kenne ihn. Alle kennen ihn. Leider. Nennen wir ihn Thorben!
Mein Thorben (46) verfolgt mich, seit ich denken kann; der war schon immer doof, der war so doof, daß er schon in der Krabbelgruppe sitzen geblieben ist. Der war wahrscheinlich schon als Sperma ein Arschloch. In der Grundschule war er eine Petze der ersten Stunde. Im Gymnasium war er dann eher so ein Typ, der aus Rücksicht auf die Natur und seine Seele darauf verzichtete, seinen Führerschein zu machen. Stattdessen ließ er sich von seinen Mitschülern herumkutschieren, um ihnen unterwegs detailliert auseinanderzulegen, was sie für Umweltsäue sind, indem sie ein Auto benutzen. Und da er sie immer Umwege für ihn fahren ließ, hatte er viel Zeit dazu.
Thorben war jemand, der mit Menschen eigentlich nur sprach, um Recht zu behalten. Um ihnen ihre moralischen Verfehlungen zu beweisen. Und zu gucken, ob sie irgendeinen betriebswirtschaftlichen Nutzen für ihn haben könnten. Aber selbst dazu war er meistens zu doof. Den hätten sie sogar bei der FDP nicht genommen.
Wiedergetroffen habe ich meinen Thorben an einem verregneten Nachmittag im CinemaxX in Düsseldorf. Das Kino war gähnend leer. Von 800 Plätzen waren 780 frei. So setzte ich mich wahllos irgendwo in die Mitte. Da näherte sich in letzter Minute plötzlich aus dem Dunkel eine Gestalt und sagte: „Sie sitzen auf meinem Platz.“ Und das war der Thorben. Mit einem großen Schild auf der Stirn: Die Welt ist schlecht, und alle anderen sind schuld!
Ein Thorben ist vom Leben benachteiligt. (Sagt er.) Und zwar ab der ersten Stunde. (Glaubt er.)
Die Schönheit der Welt konnte er niemals sehen, da er hinterhältigerweise kurzsichtig war und Berichten seiner Mutter zufolge schon mit einer Brille geboren wurde. (Sagt sie.) Genau genommen mit einem Kassengestell. Ganz genau genommen mit einem Kassengestell von Fielmann. (Auslaufmodell, sage ich.)
Alles das wäre gar nicht schlimm. Viele Menschen haben Brillen, gucken attraktiv da durch und werden sogar Führungspersönlichkeiten von ortsansässigen Modehäusern oder im Bundestag.
Kein Grund zur Beunruhigung also.
Für einen Thorben aber, der sich nur über sein Unglück definieren kann, ist es der Anfang vom Ende. Wobei das Ende seines Lamentos nicht in Sicht ist. Egal, worum es geht: Das Leben hat einen Plan mit ihm. Und zwar einen hinterhältigen, bösartigen, gemeinen Plan; und der liebe Thorben wird nicht müde, es täglich meckerig und frustriert in die Welt zu posaunen.
So weit, so schlecht.
Einem ehemaligen Mitschüler kann man aus dem Weg gehen. Klassentreffen kann man absagen, und Kinos gibt es viele. Was aber, wenn sich der eigene, frisch angetraute Ehemann als Thorben entpuppt?    
 


© Tina Teubner
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