„Der Nächste bitte!“

Kabarett „Lichtwechsel“ im Kontakthof

von Johannes Vesper

Foto: Johannes Vesper
„Der Nächste bitte!“
 
Kabarett „Lichtwechsel“ im Kontakthof

Ein Abend bei dem musikalischen Kabarett „Lichtwechsel“ ist immer wieder ein besonderes Vergnügen. Scherz, Satire, Ironie mit und ohne tiefere Bedeutung, zum Klavier mitreißend gesungen und souverän mit vollem Körpereinsatz gespielt, garantieren anspruchsvolles und witziges Kabarett auf höchstem Niveau, obwohl wir Zuschauer als Patienten, Ärzte, ÖPNV-Fahrgäste, Bundesbürger, Banker, usw. usw. doch alle unser Fett abbekommen. Nichts ist so absurd wie die Realität des Alltags. Der Alltag selbst ist reine Satire, was sonst? Jeder im Publikum ist schon am Aberwitz automatisierter Telefonberatung („Drücken sie die 1-7“) verzweifelt. Hier wird er dazu schmunzeln. Und wie steht es bei uns um Neid und Gerechtigkeit, diesem wichtigen Thema in der öffentlichen Debatte? Schaumkußverteilungsgerechtigkeit ist unter den acht Darstellern heute nicht zu erreichen, auch nicht, wenn die Vermögensverteilung in Deutschland als Modell mit bedacht wird. Es stopft zum Schluß eigentlich nur eine den süßen Schaum-Schoko-Brei in sich hinein, wie im richtigen Leben. Die anderen werden im einstelligen Grammbereich abgespeist Nicht jeder kennt schon heute das Gedränge im Wartezimmer des Arztes, wenn die Patienten auf ihren Bänken und Stühlen einander sehr nahe kommen, sich gegenseitig Ihre Zipperlein und Wehwehchen erzählen und zeigen, sich beraten und die Therapie bedenken. Nach einer gewissen Zeit enger Gemeinsamkeit stört und nervt dann die ärztliche Aufforderung „Der Nächste bitte“. Wir verstehen das sofort.
Das sehr ernste Lied des alten Alzheimer-Patienten von Christian Busch rührt das Publikum bis hin zu Tränen. Hohe Kunst, bei der die berühmte Stecknadel zu hören wäre, wenn sie denn fallen würde. Daten, Fakten, Analysen sind inhaltslose Kategorien, mit denen in der Realität der Arbeitswelt Gewinne maximiert, die Zahl der Beschäftigten minimiert, und die Betriebe saniert werden. Das alles ist nur im Kabarett als Satire zu ertragen. Und wenn der typische Franzose mit Baguette, rotem Barett und filterloser Zigarette im schrägen Mund (Harald Tornow) „Lichtwechsel“ auf Französisch singt, dann droht Lachmuskelkater. Die Compagnie spielt und singt sich mit intelligentem Witz, schwungvollen Texten, perfekter Choreographie, bester Darstellung und hinreißender Klaviermusik (Cornelia Hessenberg, die die gesamte Musik stets auch selbst schreibt) schnell und nachhaltig in die Herzen und Lachzentren der Zuschauer. Dringend zu empfehlen! 
 
Weitere Aufführungen in dem kleinen Theaterchen in der Wuppertaler Genügsamkeitsstraße (Kontakthof) am Samstag dem 27.09 19:00 Uhr mit Büffet und am Sonntag, dem 28.09.2014, um 11:00 Uhr mit Brunch.