Männer brauchen Grenzen

Der therapierte Mann

von Tina Teubner

© Tina Teubner
Der therapierte Mann
 
Was tut der Feuerwehrmann, wenn es brennt? Er versucht, die Flammen zu löschen. Er fragt sich nicht: „Was macht dasjetzt mit mir?“
Was macht der verliebte, ja geradezu in Flammen stehende Mann, wenn er mit dem Objekt seiner Begierde nach dem Kinofilm durch die laue Sommernacht flaniert? Er schlingt seine Arme um sie und küßt sie so heftig durch, daß ihr Hören und Sehen vergehen. Was auch sonst.
Nicht so der therapierte Mann.
Auf dem Höhepunkt seiner hormonellen Wallung grinst er schelmisch in sich hinein und überlegt, wie er den Kuß, den er für die nächste Viertelstunde in Erwägung zieht, in seiner Psychogruppe verbal thematisieren wird. Letztlich wird er nur schildern, daß es zu einem Kuß nicht gekommen ist, weil von dem Objekt seines uneingeschränkten Begehrens plötzlich unheimlich schlechte Schwingungen ausgegangen sind - Schwingungen, die ihn stark an seine (seiner Mutter zum Verwechseln ähnliche) Exfreundin erinnern. Für diese Wahrnehmung ist er natürlich unheimlich dankbar.
Nach fünf Jahren Couch hat er endlich das „innere Kind“ in sich entdeckt und gelernt, „ich“ zu sagen. Das hat er jetzt echt drauf: ICHICHICHICHICHICHICHICHICHICHICHICHICH.
Was Erzieherinnen ihm zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensjahr liebevoll beigebracht haben, hat er sich in engagierter Therapiearbeit erstaunlich effektiv und schnell wieder abtrainiert. Er hat gelernt, wie wichtig es für ihn ist, seinem Gegenüber im Zweifel auch mal die Schaufel über den Kopf zu ziehen. Man kann ja wieder drüber reden.
Jeden noch so gut gemeinten Erziehungsvorschlag hinterfragt er hinterhältig. Er kriegt seinen Sozialarbeiterblick, wackelt mit dem Kopf und raunt Sätze, in denen sehr oft das Wort „unheimlich“ vorkommt: „Das tut mir unheimlich weh ich glaub, ich brauch unheimlich Abstand ich brauch unheimlich Zeit für mich ich fänd´s unheimlich gut, mal alleine wegzufahren laberlaberlaber.“
Erste Konsequenz: Paß einziehen. Damit sind Sie schon mal auf der sicheren Seite.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß Sie, liebe Leserinnen und Leser gut daran tun, Ihren Männern tolerant ihre Einzigartigkeit zu lassen - sofern es dazu führt, daß diese dazu bereit sind, Ihnen den Arsch hinterherzutragen! Hier jedoch ist beim therapierten Mann noch viel Luft nach oben.
So möchte ich einen dringenden Appell an sämtliche Psychotherapeuten und -analytiker dieses Landes schicken: Mit„unheimlich“ warmen Worten ist noch keine Ehe gerettet worden. Da muß schon mal ein bißßchen was springen: Schmuck, Goldbarren, Perlen, Altbauimmobilien in Toplage! Sagen Sie das bitte Ihren Patienten.
Sie finden das zu anspruchsvoll? Erlauben Sie, daß ich Ihnen widerspreche: Das ist nicht anspruchsvoll, das ist wertkonservativ! Es ist jener Wertkonservatismus, der letztlich einen gütigen und treuen Blick auf den verunsicherten Mann schmeißt. Denn nur die wertkonservative Frau weiß, daß ihr Mann weder ihre weibliche Intelligenz noch ihre Sozialkompetenz besitzt. In seiner Unfähigkeit sich abzugrenzen schießt er gelegentlich übers Ziel hinaus; er hat einfach noch nicht gelernt, sich zu separieren, ohne sich zu trennen.
 
WAS TUN?
 
Nichts. Sie haben sich sehenden Auges einen Mann ausgesucht, der seine geistige Volljährigkeit aller Voraussicht nach nicht mehr zu Lebzeiten erreichen wird. Sie haben genau zwei Möglichkeiten: ertragen oder rausschmeißen.
So Sie sich dazu entscheiden, Ihrem Mann die Treue zu halten, machen Sie sich klar, daß Sie das Leben alleine wuppen müssen. Lassen Sie sich nicht entmutigen; das haben schon viele Frauen vor Ihnen geschafft. Nahezu alle. Erwarten Sie nichts. Suchen Sie sich Unterstützung. Tun Sie sich mit anderen alleinerziehenden Ehefrauen zusammen. Lassen Sie sich finanziell vom Staat unter die Arme greifen. Beantragen Sie Kindergeld für Ihren Mann. Helfen Sie ihm, seine Kränkungen nicht nur intellektuell aufarbeiten zu müssen. Melden Sie ihn in der PEKIP-Gruppe und in der musikalischen Früherziehung an.
 


© Tina Teubner
Weitere Informationen: www.lappan.de