Satyr, Sempre più und noch mehr

Stephan Balkenhol im Skulpturenpark Waldfrieden

von Jürgen Kasten

Sempre più (Teilansicht) - Foto © Jürgen Kasten
Satyr, Sempre più und noch mehr
 
Stephan Balkenhol im Skulpturenpark Waldfrieden
 
Bis zum 12. Oktober 2014 stellt Stephan Balkenhol in Tony Craggs Skulpturenpark „Waldfrieden“ in Wuppertal aus. Figuren aus Holz gehauen, in Holz geschnitten.
Die Werke des Künstlers stehen weltweit im öffentlichen Raum, in Museen und Galerien. 1957 in Fritzlar geboren, lebt und arbeitet Balkenhol heute in Kassel, Frankreich und Berlin und lehrt als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.
Sieben seiner Skulpturen sind nun in Wuppertal zu besichtigen. „Tony Craggs Park ist paradiesisch“, sagte Balkenhol bei der Präsentation am 11. Juli. Das habe ihn motiviert, speziell für diese Ausstellung neue Werke zu schaffen, nämlich „Großer Mann mit weißem Hemd und schwarzer Hose“ und „Große Reliefzeichnung“. Letztere ist eine 3 x 2 Meter große Wand aus Wawaholz, auf deren einer Seite ein männlicher Kopf und auf der anderen „Nike“, ein Engelswesen ohne Kopf in das Holz geschnitten wurde (2014).
 
Aus einem Holzblock gefertigt, liegt ein „Hermaphrodit“ aufgebockt in der Halle (2013). Zwei kleinere Figuren, „Frau im gelben Kleid / Mann mit rotem Hemd“, stehen auf hohen Holzsäulen. Am Boden liegt ein Relief, das Mann oder Frau darstellt, je nach Betrachtungsweise, und in einer Ecke des Ausstellungspavillons steht drei Meter hoch „Großer Mann mit weißem Hemd und schwarzer Hose“ (2014).
Das herausragendste Werk in der gegenüberliegenden Hallenecke ist jedoch „Satyr“. Zwei Meter hoch sitzt er auf einem abgestuften Holzklotz, seinen nackten Körper offen darbietend, mit einem Allerweltsgesicht, dem man überall begegnen könnte.
„Stephan Balkenhols Satyr ist insofern typisch für das gesamte bildhauerische Werk dieses Künstlers, dem es gelungen ist, jede überkommene bildhauerische Sprache zu seiner eigenen zu machen, ohne unnötiges Pathos heraufzubeschwören. Gleich ob er religiöse Skulpturen, Antiken oder öffentliche Denkmäler aus Ausgangspunkt für seine Arbeit nimmt, ...“ (Kay Heymer „Anmerkungen zu Satyr, 2014).


Stephan Balkenhol (lks.), Tony Cragg vor Satyr - Foto © J. Kasten 

„Ich bin immer ganz erschlagen von seinen genialen Skulpturen“, sagt Tony Cragg und das kann man spätestens dann nachvollziehen, wenn man vor dem Pavillon vor „Sempre più  ...“ steht. 570 cm ragt der Torso in die Höhe, aus dem 15 Tonnen schweren Stamm einer Libanon-Zeder gefertigt, über einem Hamburger Holzhändler aus einem polnischen Park angeliefert. Balkenhol hatte den Stamm längs geteilt, beide Teile seitlich zusammengefügt und daraus die Paraphrase eines römischen Torsos gefertigt. Er steht in einem Meer von Münzen und symbolisiert so die Maßlosigkeit, den Überfluß, drückt aber auch Melancholie aus „weil man nie an sein Ziel gelangt“. Die Statue konzipierte er 2009 für das Forum Romanum in Rom, zu einer Zeit, als der weltweite Börsenkrach Thema war.

 
Stephan Balkenhol kippt Münzen um Sempre piu..., Foto © J. Kasten

Auf die Frage „wie man denn eine solch riesige Figur aus Holz hauen könne?“, antwortete Kettenraucher Balkenhol mit einem alten Bildhauerwitz: „Ein Besucher fragt den Meister ´ist es schwer einen Löwen aus dem Marmorblock zu hauen?` und der Meister antwortet: ´man muß einfach alles weghauen, was nicht nach Löwe aussieht`“.
 
So einfach wird es nicht gewesen sein und einfach hat es Balkenhol mit seinen Kritikern auch nicht immer. Man wirft ihm Neutralität vor, doch das ist zu kurz gedacht. „Nach dem Krieg war es verpönt, Skulpturen zu fertigen, denen ein Pathos oder noch schlimmer, etwas faschistisches anhaftet“, so Tony Cragg. Die Künstler beschränkten sich also auf abstrakte Darstellungen bis hin zum Minimalismus, dem auch Prof. Ulrich Rückriem anhing, bei dem Balkenhol in Hamburg studiert hatte. „Künstler reflektieren auf verschiedene Art und Weise aber immer irgendwie den Menschen, die Figur...“ (Tony Cragg). „Stephan Balkenhol hat sich somit von den alten Betrachtungsweisen gelöst und die figurative Skulptur neu begründet, in dem er sie von allen politischen, religiösen oder allegorischen Implikationen befreite, gleichzeitig aber auch mit seinen Werken im öffentlichen Raum auf historisch aufgeladene Orte formal und inhaltlich Bezug nimmt.“ (Ausstellungstext)
Einer dieser Orte war zum Beispiel die St. Elisabeth Kirche in Kassel, wo er 2012 im Innenhof seinen großen Männertorso ausstellte, und zwar zeitgleich zur Documenta 12, zu der er nicht eingeladen war. Eine im Kirchturm installierte Figur wies weithin sichtbar auf diese „Balkenhol Ausstellung“ hin, was ihm den öffentlich geäußerten Zorn der Documenta-Kuratorin einbrachte.

 
Stephan Balkenhol, St. Elisabeth Kirche Kassel 2012 - Foto © J. Kasten
 
Stephan Balkenhol ist ein Künstler, der sich zu präsentieren weiß und das, was er zeigt, ist einer eingehenden Betrachtung wert. Ab sofort können Sie das im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal bis zum 12. Oktober selber in Augenschein nehmen.
 
Weitere Informationen: www.skulpturenpark-waldfrieden.de
 
Redaktion: Frank Becker