Eine literarische Perle wiederentdeckt

Axel Marquardt – „Rosebrock“

von Robert Sernatini

Cover: Michael Sowa
Wir haben ein Buch wiederentdeckt, das 2006 von Robert Sernatini in den
Musenblättern vorgestellt wurde und uns immer noch besonders gut gefällt:
Axel Marquardts
„Rosebrock“

Rechtzeitig aufgewacht...
 
Wer hätte je geglaubt, daß das manchmal etwas verschnarchte Bergische Land der gesalbte Boden für die erst zaghaften dann entschlossenen Schritte eines Mannes in ein nicht beabsichtigtes neues Leben sein könnte? Dem Kölner Privatbankier Hubert Rosebrock geschieht genau das. „Am Tag vor seinem dreiundvierzigsten Geburtstag kam in Hubert Rosebrock der Verdacht auf, daß er eine ausgesprochene Pfeife war“, beginnt Axel Marquardt seinen köstlichen Roman in bester Tradition romantischer Wanderungen und pfiffiger Schelmengeschichten. 
Hubert Rosebrock stellt fest, daß er weder eine Espressomaschine bedienen, noch sich naß rasieren oder einen Windsor-Knoten binden kann. Im Grunde kann er nichts. In diese Erkenntnis hinein erreicht ihn die Einladung zu einem Klassentreffen, das ihn nach zwanzig Jahren in Gummersbach mit seiner Abiturientia des Bergischen Gymnasiums zusammenbringen soll. Hubert R. nimmt die Einladung an – der Beginn einer Reise in eine unbekannte Gegenwart, ein nie gekanntes Ich und eine unbestimmte Zukunft. Es schwingt ein wenig vom Eichendorffschen „Taugenichts“ mit, und die große Liebe Marquardts zur deutschen Lyrik läßt nach der vernachlässigten Lektüre des „Conrady“ lechzen.
 
Der Klappentext des turbulenten kleinen Romans faßt ihn so blendend zusammen, daß hier ein Auszug zitiert werden soll: „Hubert Rosebrock befreit in nächtlichem Coup einen Hund vom Schrottplatz, gewinnt in der Spielbank Hohensyburg 6.800,- Euro, trinkt Pils und Doppelwachholder (sowie Kölsch und Whisky, Anm.), speist mit der göttlichen Magda, kotzt ein Bahnabteil voll, ernennt sich kurzfristig zum serbokroatischen Honorarkonsul in Bergisch Gladbach, baggert Yoko Fröhlich (21) an.“ Er begegnet einem jungen Mann, der sein Leben umkrempelt, macht eine Radtour durchs Bergische Land und sich verdächtig und versteht sich blendend mit seiner Frau, die ihn nicht mehr liebt.
 
Axel Marquardt, dessen Biographie keinerlei regionale Bezüge aufweist, muß irgendwie auf den verzauberten Charakter der Landschaft zwischen Köln und Kettwig, Gummersbach und Bergisch Gladbach gestoßen sein. Das Ergebnis ist atmosphärisch, doch es macht aus „Rosebrock“ keinen Heimatroman - läßt aber die Intimität zwischen Kölner Kneipen und bergischen Landgasthöfen atmen. Selten nur findet man ein Buch von solch heiterer Leichtigkeit und amüsanter Detailtreue, von einem seit Herbert Rosendorfer längst verloren geglaubten klugen Humor und einer so sympathischen Intelligenz wie dieses. Hubert Rosebrock ist so wenig ein Held wie sie oder ich. Aber Rosebrock widerfährt etwas ganz Rares: aufgeweckt zu werden, bevor es dazu zu spät ist – und es anzunehmen.
 
Ein Buch, das die Musenblätter Ihnen sehr ans Herz legen möchten - 2006 zum ersten Mal und wiederentdeckt jetzt, sowie abermals mit unserem Prädikat, dem Musenkuß ausgezeichnet. Beim Verlag vergriffen, aber antiquarisch noch zu bekommen.

Axel Marquardt – „Rosebrock“

Roman
© 2004 Verlag Antje Kunstmann, 190 S., geb. mit einem Schutzumschlag von Michael Sowa – ISBN:  9783888973581
17,90 €
Weitere Informationen unter:  www.kunstmann.de