Exemplarische Produktion zum Saisonende

Jakob Peters-Messer inszeniert Karol Szymanowskis „König Roger“ (Król Roger)

von Peter Bilsing

Foto © Uwe Stratmann

„König Roger“ (Król Roger)
von Karol Szymanowski
Text von Karol Szymanowski und Jaroslaw Iwaszkiewicz
 
Musikalische Leitung: Florian Frannek – Inszenierung: Jakob Peters-Messer – Bühne: Markus Meyer – Kostüme: Sven Bindseil – Choreinstudierung: Jens Bingert – Dramaturgie: Johannes Blum – Fotos: Uwe Stratmann
 
Besetzung: Roger II., König von Sizilien (Kay Stiefermann) - Roxane, seine Frau (Banu Böke) - Edrisi, ein arabischer Gelehrter (Christian Sturm) - Der Hirte (Rafal Bartminski) - Der Erzbischof (Martin Js. Ohu) - Die Diakonissin (Joslyn Rechter) 
Opernchor, Extrachor und Statisterie der Wuppertaler Bühnen,  Sinfonieorchester Wuppertal,   Wuppertaler Kurrende 
 
Premiere am 14.6.14 -  in polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln - Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (eine Pause)
 
Exemplarische Produktion zum Saisonende
  
Zum Inhalt: König Roger herrscht mit seiner Frau Roxana. Ein geheimnisvoller Fremder taucht auf, der vorgeblich Menschen zu Rausch und Exzess verführt. Auch Das Königspaar kann sich der erotischen Ausstrahlung des Fremden, der sich später als Dionysos zu erkennen gibt, kaum entziehen. Am Ende steht die Verschmelzung von Körper, Geist und Natur. Ein innerlich verwandelter Roger schreitet im Finale beglückt der aufgehenden Sonne entgegen.
Leider setzte erst in den neunziger Jahren (ähnlich wie bei Schreker z.B.) für die grandiose, ja geradezu herrliche Musik eine Szymanowski-Renaissance ein. Intendanten und Dirigenten (Boulez, Rattle, Satanowski, Gergiev...) begannen sich endlich für sein vergessenes Werk zu interessieren; sogar die Silberling-Industrie begleitet diese Entwicklung. 
 
Grandiose Musik
 
Wir versinken in Klangteppiche spätromantisch üppiger Sinnlichkeit, fast rauschhaft impressionistisch überwältigender Klänge - und das alles mit teilweise orientalischer Chromatik und Melismatik durchsetzt. In den nur 85 Minuten tangiert die Musik tristanschen Wagner; wir hören Anklänge an Claude Debussy oder Maurice Ravel bzw. Impressionen an Strauss, und vor allem erinnert viel an die Klangfarbenmusik des ebenfalls selten gespielten Russen Alexander Skrijabin, an dessen 3. Sinfonie (Poeme de l´Extase) eben dort im Wuppertal (!) vor kurzem in der Stadthalle brillant erinnert wurde.


v.l.: Kay Stiefermann, Rafal Bartminski, Banu Böke Foto © Uwe Stratmann
 
„Krol Roger“ ist die einzige Oper des Spätromantikers Karol Szymanowski (einer der wichtigsten Erneuerer und Begründer einer musikalischen Moderne in Polen) - ein herausragendes Werk des nicht nur polnischen Musiktheaters, von großer Raffinesse und Feinsinnigkeit, welche weit über die zeitgenössische Kraft eines Janacek hinausgeht und durchaus mit Bartok in Konkurrenz treten kann.
Das teilweise konfuse und verquaste Libretto von Karol Szymanowski und Jaroslaw Iwaszkiewicz erfordert einen guten Regisseur, Spitzen-Sänger und einen Dirigenten, der mit Gefühl dieses fast mahlerhaft große Orchester und die Chormassen bewegen kann. Der Komponist fordert Grenzwertiges, denn die Sänger müssen stets im rauschhaften Dauerespressivo singen; Legato finden in diesen 1,5 Stunden nicht statt.
Daß gerade ein Haus wie Wuppertal, welches so schlimm vom Sparzwang gebeutelt ist und demnächst nur noch mit fragmentarischem Ensemble im Stagione-Betrieb arbeiten wird, solch eine Weltklasseleistung auf die Bühne bringen kann, hat niemand erwartet. Und wenn ich so meine zuletzt gesehenen Produktionen des „Krol Roger“ (Dortmund, Bregenz, Bonn, Stuttgart) Revue passieren lasse, dann führt diese Inszenierung nicht nur diese imaginäre Hitparade an, sondern auch unter Berücksichtigung der Silberscheiben konstatiert der Kritiker und erklärte Szymanowski-Fan:
 
Besser geht es nicht - dieser Ausnahme-Abend setzt Maßstäbe.
 
Das Sinfonieorchester Wuppertal besticht in Maximalbesetzung unter der Leitung von Florian Frannek, die Chöre (Opernchor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen, sowie Wuppertaler Kurrende) sind von Jens Bingert & Dietrich Modersohn trefflich eingestellt und bezaubern. Ebenso, wie die Solisten, allen voran ein begnadeter mit dem nötigen Charisma versehener Rafał Bartmiński als Hirte/Dyanysos; des Weiteren singt man durchweg, um im aktuellen Zeitgeist zu sprechen, „weltmeisterlich“.
Ob Banu Böke als Roxane, Kay Stiefermann als König oder Christian Sturm (Edrisi/Dr. Freud) - es kommt einem Wunder gleich, daß man diese hochgradig schwierigen Hauptpartien so perfekt aus den eigenen Reihen besetzen konnte.
Nicht zuletzt loben wir ein fabehaftes Regieteam (Inszenierung: Jakob Peters-Messer / Bühne: Markus Meyer / Kostüme: Sven Bindseil & Licht: Henning Priemer), welches nicht versuchte, sich durch Mätzchen, Vulgarismen oder werkfremden Firlefanz zu profilieren, oder in den Vordergrund zu drängeln (wie zuletzt bei Braunfels in Bonn) sondern eine geradezu perfekte Musiktheater-Produktion, ganz im Sinne intelligenter Werktreue, auf die Beine stellte. Danke. Was für ein Abend!
 
Zu Recht gab es nicht enden wollende Vorhänge verbunden mit Riesenapplaus und Bravi-Chören. Niemand verließ schnell das Auditorium, was sonst in Wuppertal nach Fallen des Vorhangs, egal bei welcher Oper, üblich ist. Damit wurde zum Ende der Spielzeit auch ein deutliches Zeichen des Dankes für den scheidenden Opernintendanten Johannes Weigand gesetzt - für die vielen Jahre tollen Musiktheaters, die dieser Intendant geboten hat, der stets für sein Publikum gegen die politischen Windmühlen und Wirrköpfe gekämpft hat. Besser und schöner kann eine Ära kaum enden.
 

Ensemble, Kay Stiefermann (Mitte) Foto © Uwe Stratmann

P.S.
Nur noch vier Vorstellungen - bitte hinfahren!
 
Weitere Informationen:  www.wuppertaler-buehnen.de