Fulminanter Auftakt mit Martin Walser

Wuppertaler Literatur Biennale 2014

von Jürgen Kasten

Wuppertaler Literatur Biennale 2014
Unterwegs nach Europa
 
Fulminanter Auftakt
 
 
Den „Preis der Wuppertaler Literatur Biennale“ für eine Kurzgeschichte zum Thema „unterwegs nach Europa“ erhielt  im Rahmen einer Feierstunde im Skulpturenpark Waldfrieden Konrad H. Roenne, Jahrgang 1979. Prof. Dr. Rita Süssmuth hielt vor geladenen Gästen die Laudatio.
 
Nach diesem inoffiziellen Auftakt startete die Biennale für das zahlende Publikum am 21. Mai im Barmer Bahnhof. Kulturdezernent Matthias Nocke eröffnete das Festival -  rund 200 Zuhörer freuten sich auf Martin Walser als Stargast der Eröffnung. Bestens aufgelegt stellte sich der gerade 87 Jahre alt gewordene Schriftsteller von Weltruf den Fragen des Literaturkritikers Denis Scheck. Der zeigte sich gut vorbereitet und überraschte Walser mit Fragen und Zitaten, die ihn schmunzeln ließen. In Anlehnung eines Walser-Aufsatzes in der FAZ („Das richtige Europa“) fragte Scheck, ob es den „europäischen Schriftsteller“ überhaupt gäbe. Damit kam Walser in Fahrt. Er verwies auf Dostojewski, Strindberg und Molière. Die habe er schon als Jugendlicher gelesen. Als Ausländer habe er die nie empfunden. Mit ihnen gleich habe er sich als Europäer gefühlt, noch bevor man überhaupt von einem vereinten Europa sprach. Und auf die Zugehörigkeit Griechenlands zu Europa angesprochen, ereiferte sich Walser geradezu. „Hölderlin hat die deutsche Sprache das Tanzen gelehrt. Und wo hat er es gelernt? Bei den antiken Griechen. Ein Europa ohne Griechenland ist gar nicht denkbar.“


v.l.: Denis Scheck, Martin Walser, Matthias Nocke - Foto © Jürgen Kasten

Hier in Deutschland hatte sich Nietzsche bereits 1885 als Europäer bezeichnet. Die Literaten hätten schon lange verinnerlicht, daß sie Europäer sind. Gefordert seien nun die Ökonomen, dies auch endlich zu verwirklichen. Der gemeinsame Euro sei nur der erste Schritt.
„Worin besteht denn für Walser Europa?“, fragte Denis Scheck. Walser blätterte in seinen Unterlagen: „irgendwo müßte ich doch darüber was geschrieben haben.“ Das Publikum lachte. Walser konnte auch richtig lustig sein.
Zögerlich antwortete er allerdings auf die Frage, ob er am 25. Mai wählen gehe. „Man kann ja keine Parteien wählen, sondern nur
Personen, und da hat sich mir noch keiner aufgedrängt. ...“ Geht er etwa als überzeugter Europäer nicht wählen? Walser hängte noch einen Halbsatz an: „ ...aber das kann ja noch bis zum 25. geschehen.“
 
Im zweiten Teil des Abends las Martin Walser zwei lange Kapitel aus seinem neuesten Roman „Die Inszenierung“, mit kraftvoller Stimme und wechselndem Timbre, denn es ist ein reiner Dialogroman.
Der gefeierte Theaterregisseur August Baum erleidet während der Inszenierung von Tschechows „Die Möwe“ einen Schlaganfall. Eigentlich ist er genesen, verbleibt aber noch im Krankenhaus. Seinen zahlreichen Affären fügt er eine weitere mit der Nachtschwester Ute-Marie an. Das pikante daran: seine Ehefrau „Dr. Gerda“ ist ebenfalls in diesem Krankenhaus tätig und sie weiß von Ute-Marie.
Zwischen den Protagonisten entwickeln sich köstliche Dialoge von hohem literarischem Rang. Das Publikum beklatschte die Leseprobe lautstark und stand anschließend am Bücherstand Schlange.

Ein fulminanter Auftakt der zweiten Wuppertaler Literatur Biennale. Falls Sie es noch nicht getan haben, steigen Sie jetzt ein in die Welt der Bücher und Literaten. Das vollständige Programm ist unter www.wuppertaler-literatur-biennale.de abrufbar.

„Die Inszenierung“ ist 2013 im Rowohlt Verlag erschienen, Hardcover, ISBN: 978-3-498-07384-8, € 18,95.