Salzburg – wo Oper am schönsten ist

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Salzburg – wo Oper am schönsten ist
 
Im Juli ist es wieder soweit: die Welt der Oper trifft sich bei und zu den Festspielen in Salzburg. Opernfestspiele haben ja immer eine ganz besondere Atmosphäre, die in Salzburg geprägt von einer absoluten Weltläufigkeit und Weltoffenheit, im Gegensatz zu Bayreuth, wo ja immer noch eher ein Hochamt zelebriert wird mit Weihrauch und Pipapo und wo die deutschen Politikerinnen und Politiker gerne zeigen – und das fast schon seit Jahrhunderten – wie sehr sie der Kultur verbunden sind und daß sie etwas von Musik verstehen. Ich möchte nicht wissen, wie viele von ihnen schon bei der Hinfahrt mit Schrecken daran denken, wie sehr sich z.B. der Parsifal ziehen kann, wenn man kein Musikfreund ist. Angela Merkel übrigens möchte ich da explizit aber ausnehmen, sie ist schon bevor sie Kanzlerin war, nach Bayreuth gefahren und sie ist eine ausgewiesene Wagner-Liebhaberin. Aber der Seehofer oder der weiland Rösler wären sicher lieber woanders hin gefahren, andererseits: Politiker sind das Aussitzen gewöhnt, es trifft also keine Ungeübten.
 
In Salzburg aber ist der Kreis wie gesagt offener, weltläufiger: Freunde des Schauspiels treffen sich da genau so wie Freunde großer Musik, gut, Freunde großer Garderoben treffen sich auch, aber es ist mehr als auf dem Hügel zu spüren, daß hier viele sind, denen es um das Wort und um die Musik geht und daß sie sich in einer Atmosphäre der heiteren Gelassenheit lieber treffen als auf dem Gebetshügel.
Also: Oper, große Oper. Gestern die Zauberflöte, eine der größten, populärsten und natürlich auch schönsten Opern, die es gibt.
Gucken wir doch ein bißchen zurück: woher kommt das denn überhaupt: Oper?
Es gibt einen wundervoll schrulligen Musikwissenschaftler, Professor Martin Vogel, 2007 in Bonn verstorben, der sein Leben lang nach dem Ursprung von Musik forschte und dabei zu sehr exotisch anmutenden Ergebnis kam, aber wer weiß? vielleicht hat er Recht? Ich habe bei ihm Vorlesungen besucht und zwar immer mit dem allergrößten Vergnügen, Wenn er z.B. von den alten Griechen erzählte. Woher stammt unsere Musik war seine Frage aller Fragen? Ausgehend von den Griechen mit ihren Vierteltönen und einer sicher frühen Mehrstimmigkeit gelangte Vogel durch älteste Felszeichnungen im Jemen und in Eritrea zu der Erkenntnis, daß entscheidende frühe kulturelle Errungenschaften wie Metallverarbeitung, Fernhandel, Tierzucht und eben unsere Musik auf das engste mit der Domestizierung des Esels als frühestem Reit- und Lasttier des Menschen verknüpft waren. So war es also der Esel, der mit seinen Tonfolgen die Menschheit auf die Musik brachte. Na gut, wenn man sich so manche Komposition anhört: warum nicht?! Er meinte es aber ernst und da ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, daß es zwischen Mensch und Arbeitsprozessen – und wenn es der Esel als Lasttier ist – auch musikalischen Zusammenhänge gibt, Gesänge z.B. die einem die Arbeit erleichtern, so was gibt es auf jedem Kontinent, bei allen Völkerschaften, aber das ist ein eigenes Thema. Natürlich gab es auch immer das Bedürfnis von Menschen, die Welt, in der sie leben, darzustellen: entweder um die Götter anzubeten oder um sich zu amüsieren, entweder um dramatische große Geschichten zu erzählen, denken Sie nur an die griechischen Tragödien, oder um andere Menschen zu unterhalten und über die Dummheiten des Lebens zu lachen. Und da war immer Musik dabei: ob es der Chor bei den alten Griechen war oder das Gamelan-Orchester auf Bali, das die Tempeltänze musikalisch untermalte. Bei uns in Europa entwickelte sich aus den antiken Formen im Mittelalter dann das Mysterienspiel heraus, um den Menschen über die Unterhaltungsschiene die christlichen Inhalte näher zu bringen. Wir sehen: der Gedanke via Unterhaltung Kunden an die eigene Firma zu binden ist so alt wie die Menschheit selbst und keine Erfindung von RTL oder Pro 7 oder so!
 
Herrscher haben sich unterhalten lassen von Zauberern, Musikern, Sängern und Schauspielern, zu Zeiten Johann Sebastian Bachs hat man sich nicht ohne Publikum operieren lassen - Bach selbst auch, als er sich von einem Show-Augenarzt, dem Dr. Taylor, den Friedrich der Große mit Schimpf und Schande aus dem Land gejagt hat, den Star hat stechen lassen, aber das ist eine eigene, traurige Geschichte – lange Zeit, war Musiktheater, wenn man es so nennen kann, den Kirchen, Tempeln und Königen vorbehalten, bis schließlich 1637 in Venedig das erste öffentliche Opernhaus seine Pforten auftat, das Teatro San Cassiano. Ab da lief es so, wie wir es kennen: Monteverdi schuf seine grandiosen Opern, heute noch gerne gespielt: „Incoronazione di Poppea“ zum Beispiel, oder „Orfeo“, die Komponisten bekamen Geld für ihre Werke, die Librettisten aber, die mußten schauen, wo sie blieben: also verkauften sie die Textheftchen zusammen mit kleinen Wachskerzen, damit der interessierte Zuhörer in der Vorstellung mitlesen konnte. Natürlich reichte das nicht zum Leben und zum Sterben, also war sehr schnell klar, daß die Librettisten einen normalen Beruf hatten und den Operntext nur nebenbei schrieben. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß es so viele rabenschlechte Opernlibretti gibt. Es gibt eigentlich nur drei wirklich tolle Librettisten, das sind Lorenzo da Ponte, der den Don Giovanni oder Così fan tutte etc geschrieben hat, dann Arrigo Boito der unter anderem den Otello für Verdi geschrieben hat und Hugo von Hoffmansthal, der den Rosenkavalier oder die Ariadne auf Naxos geschrieben hat. Das waren Profis, die wussten, was sie taten oder Dichter, denen man nix über die Kraft der Poesie sagen mußte. Der Rest aber...  
 
Man saß damals übrigens nicht in Reihen, man aß, man wandelte, man plauderte und oben auf der Bühne sangen sich die Sänger die Seele aus dem Hals. Bis zu Mozart übrigens stocksteif, weil: was soll ich groß schauspielern, wenn eh kein Schwein zuschaut?! Auch große Komponisten wie Lully oder Händel litten darunter, daß die Sängerinnen und Sänger sich in der Zeit steif vorne hin stellten und sangen und fertig. Das hing natürlich auch ein bißchen mit den Inhalten zusammen: bis Pergolesi (dessen köstliche Oper der kleinen Leute „La serva padrona“ in Frankreich geradezu einen Krieg entfachte zwischen denen, die eine Oper nur auf hohen, hehren Stelzen wollten, mit Göttern, Herkules etc pp und denen, welche die Oper zu den Menschen wie Du und ich holen wollten) und Mozart, mehr oder weniger, hat man ja nur die große Mythologie auf die Bühne gestellt, da hagelte es Götter über Götter von der Bühne, deren Würde sich nicht mit Komik oder Unterhaltung gepaart hätte. Und im Barock hat man aus jeder Oper eine Ausstattungsorgie gemacht, gegen die wir heute arme Stümper sind.
Ein Beispiel aus Düsseldorf:
Jan Wellem, der hat in zweiter Ehe Anna Maria de Medici geheiratet und die hat Düsseldorf sofort umjepflügt, aber hallo! Man weiß von einer Opernaufführung 1696, wo die Düsseldorfer so richtig ins Volle jekegelt haben: Es geht in der Oper um die Göttin der Jagd, et Diana - vermutlich mit einer Sängerin aus Neuss besetzt, denn im Schützenverein sind die Neusser absolute Weltspitze!
Um die Jagdoper aufzuführen, haben die Düsseldorfer eine schwimmende Bühne in den Rhein gebaut, vom Feinsten sage ich Ihnen. Dagegen ist die Bühne der Festspiele auf dem Bodensee in Bregenz ein Souffleurkasten. Also: auf der Bühne sind die Gäste, die Göttin Diana ruft zur Jagd, da treiben die Jäger 300 Hirsche in den Rhein, die sie in dem Waldstück am Ufer „geparkt“ hatten. Den ersten Hirsch darf die Fürstin erlegen, den Rest erledigt die Gesellschaft. Dann geht die Oper weiter - Publikum und Akteure sind weiterhin alle auf der Bühne -, als sich plötzlich aus dem Boden der Bühne ein Tisch erhebt, auf dem für 400 Gäste eingedeckt ist. Damit's ein lebendiges Bild gibt, springen jetzt noch ein paar Hundert Hasen und Kaninchen vom Tisch runter und schwimmen ans sichere Ufer, nach Neuss natürlich. Dann setzt sich die illustre Gesellschaft an den Tisch und spachtelt, wat dat Zeuch hält. Dann noch ein Feuerwerk und dann nohm Bett!
 
In diesem (gähn…) Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 
 

 ©  2014 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker