Grenzerfahrungen

Das Schicksal der taubblinden Helen Keller in starken Bildern

von Frank Becker

Laia Sanmartin - Foto © Bernd Böhner

Grenzerfahrungen
 
Das Schicksal der taubblinden Helen Keller in starken Bildern
 
„Licht im Dunkel“ - Schauspiel von William Gibson
Deutsch von Andreas Pegler

Regie: Volker Hesse - Ausstattung: Stephan Mannteuffel – Kostüme: Caroline Sanchez
Besetzung: Laia Sanmartin (Helen Keller), Birge Schade (Annie Sullivan, ihre Erzieherin), Wolfgang Häntsch (Captain Keller, ihr Vater), Magdalene Artelt (Kate Keller, ihre Mutter), Dela Dabulamanzi (Viney, Hausmädchen), Daniel Heck (James, Helens Halbbruder)
Produktion: Stadttheater Fürth mit dem Theater im Rathaus Essen

Selten sah man ein Publikum so bewegt, spürte man die innere Anspannung der Zuschauer so intensiv wie am Sonntagabend im Remscheider Teo Otto Theater beim Gastspiel der Produktion „Licht im Dunkel“, einem Stück über das Schicksal der taubblinden Erfolgsautorin Helen Keller (1880-1968) und ihrer Lehrerin Annie Sullivan (1866-1936. Die unerhörte Schwierigkeit, das Erleben der Welt eines blinden und tauben Menschen für seine normal mit allen Sinnen begabte Umwelt erfahrbar zu machen, erscheint zumal auf der Bühne als eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Volker Hesse hat es in seiner Inszenierung von William Gibsons Theaterstück mutig angegangen – und mit Einfühlungsvermögen, starken Bildern und einem hervorragenden Ensemble einen erstaunlichen Erfolg erzielt. Ein ausgezeichnet recherchiertes 28-seitiges Programmheft begleitet den Zuschauer durch die komplexe Thematik und Problematik.
 
Der Aufgabe, die von Dunkelheit und Stille umgebene Isolation der siebenjährigen Helen (Laia Sanmartin) aufzubrechen, eine Kommunikation zu dem aggressiven, sich kaum artikulierenden Kind aufzubauen, stellt sich die selbst ehemals blinde, damals erst 21-jährige Annie Sullivan (Birge Schade), die auch die festgefahrene Haltung und die Skepsis zu überwinden hat, die ihr im Süden der USA wegen ihres Alters und ihrer Nordstaaten-Abstammung entgegengebracht wird. Wolfgang Häntsch als Helens vom Sezessionskrieg gezeichneter Vater und Daniel Heck als deren Halbbruder James entwickeln dabei besonders starke Charaktere.
Birge Schade gelingt es blutvoll, den jugendlichen Elan der idealistischen Lehrerin zu vermitteln. Ihre „Gegenspielerin“ Laia Sanmartin hat es ungleich schwerer, die quasi autistische Aggression des zwar intelligenten, doch mit normalen Mitteln unerreichbaren Kindes fühlbar zu machen, doch schafft sie es erschütternd und tief berührend. Das Kind wird lernen, die Welt und ihre Mitmenschen auch ohne Gehör und Augenlicht zu erfahren und zu akzeptieren, Lehrerin und Schülerin werden lebenslang Gefährtinnen bleiben.
 
Volker Hesse hat auch die von Gibson skizzierten Biographien und Defizite der übrigen Figuren und deren seelische Belastungen nicht ausgelassen. Die Sehnsucht und Heimatlosigkeit des schwarzen Hausmädchens Viney (Dela Dabulamanzi), einer früheren Sklavin, der an den Rand der Familie gedrückte, musisch begabte Halbbruder, der sich wie die Mutter Helens (Magdalene Artelt) langsam vom Druck des den Armeerang weiter tragenden patriarchalischen Vaters befreit, schließlich dessen Wandlung zur Nachgiebigkeit sind subtil angelegt.
Das spürbar bewegte Publikum würdigte die Ensemble-Leistung der Co-Produktion des Stadttheaters Fürth mit dem Theater im Rathaus Essen mit langem, warmem Applaus.
 
Ein ausgezeichnet und umfangreich recherchiertes 28-seitiges Programmheft begleitet den Zuschauer durch die Thematik und Problematik.
Weitere Informationen: www.landgraf.de