Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © D. Bogdanski
Das Brotkäppchen
und andere Backwarengeschichten


25. November: Ein Mann mit Brot. Kann es eine größere Freundschaft geben als einen Mann und sein Brot? Ich sah mal einen Mann, der trug ein Brot durch die Stadt. Er hatte es in eine Plastiktüte einpacken lassen, damit er es ansehen konnte. Stolz wie Oskar trug er es durch die Welt. Manchmal lachte er und murmelte: „Oh, Du mein Brot. Du schaffst mir Kraft und Zuversicht.“ Ich habe mal einen Mann weinen sehen, dem man sein Brot weggenommen hatte. Meine Mutter erzählte mal, daß „Brot“ das Lieblingswort meines Vaters gewesen war und er deshalb den Beruf des Bäckers ergriffen hatte. Unser tägliches Brot gib uns heute und morgen entzücke uns mit Puddingteilchen. Mein Nachbar schläft auf einem Brot. Er nennt es Graubert, ist aber auch nicht normal. Ich habe einen Freund, der sieht aus wie ein Roggenbrot und die Frauen umschwärmen ihn. Kann es eine größere Freundschaft geben, als einen Mann und sein Brot? Was ißt der Dalai Lama? Ein Buddhabrot. Wer hat Angst vor dem Wolf und flieht durch den Wald? Das Brotkäppchen.
 
26. November: Wie kann man Demut lernen? Man geht zum Beispiel mit einem Hund in ein Restaurant hinein, in dem Hunde nicht erlaubt sind. Man läßt sich also bewußt auf einen Irrtum ein und bereut ihn dann. Man sagt Entschuldigung. Verzeih. ich war mir nicht bewußt, daß Hunde hier stören. Mein Hund übergibt sich dauernd. Er pinkelt in Ecken und schleckt den Koch ab. Es tut mir leid. Wir wollten nicht stören. Wir verstehen, daß Sie unter sich bleiben wollen.
 
27. November:

Verwandlungen
           
Der Stein sieht aus wie ein Hase
der Stab sieht aus wie ein Wurm
den Eimer nehm ich als Vase
den Ventilator als Sturm
 
Zwei Hände form ich zur Tasse
und schließt man die Augen ist Nacht
und wenn ich mich kitzeln lasse
dann wird plötzlich laut gelacht
 
Leben heißt immer Verwandlung
drum schaue dir alles an
weil auch schon die kleinste Handlung
noch alles verwandeln kann
           
 
29. November: Sie sprang über Stock und Stein und hatte dabei unsere Torte im Arm. Wir haben alle Blut und Wasser geschwitzt.



© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker