Ihr Götter! Haltet eure Erde fest

Kleists „Penthesilea“ in Hof

von Alexander Hauer

Ihr Götter! Haltet eure Erde fest
 
Kleists „Penthesilea“
 
Eine Inszenierung von Reinhardt Friese in Hof 
 

Inszenierung: Reinhardt Friese – Bühne: Günter Hellweg – Kostüme: Annette Mahlendorf – Bilder: SFF Fotodesign Hof
Besetzung: Penthesilea, Königin der Amazonen: Antje Hochholdinger - Prothoe: Isabel Berghout - Meroe: Charlotte Thompson - Asteria: Aline Eydam - Die Oberpriesterin der Diana: Anja Stange - Achilles: Marco Stickel - Odysseus: Oliver Hildebrandt - Diomedes: Thomas Hary - Antilochus: Kristoffer Keudel - Schwan: Susanna Mucha
 
Es ist einer der schwierigsten Theatertexte und man hat einen leichteren Zugang, wenn man das homerische Wissen um den trojanischen Krieg ausblendet. Heinrich von Kleists Penthesilia fordert: den Regisseur, die Schauspieler, aber auch den Zuschauer.
Reinhard Friese zeigt diesen Clash zweier Alphatiere in einer höchst schlichten Umgebung. Günter Hellwegs schwarze Bühne, nach hinten durch eine fahrbare Rückwand begrenzt, eine Insel in einem Meer gescheiterter Sehnsüchte und Wünsche, ist Rückzugsgebiet der feindlichen Parteien.
Annette Mahlendorf kleidet die Kriegsherren in dunkle Gesellschaftsanzüge, die Damen in elegante Seide. Krieg in Uniform ist für das nicht vorkommende gemeine Fußvolk, oben bleibt es nobel.

 
Da stehen sie, die Griechenkönige und monologisieren das bisher Geschehene, den Verlauf des Krieges, seine Ursachen bis sie die Meldung erreicht, das Achilles im Lager der Amazonen sei. Und damit nimmt das Unheil seinen Lauf. Achilles, der Supermacho, stößt an seine Grenzen, als er auf die Königin der Amazonen trifft. Penthesilea gibt sich ihm nicht hin, sie darf es nicht. Ihr Ehrenkodex verlangt, daß sie nur einen Mann lieben darf, den sie im Zweikampf besiegt hat. Und ein Achilles läßt sich nicht besiegen. Marco Stickel ist Achilles, hochkonzentriert, alle Sehnen und Muskeln angespannt, kämpft er um seine Penthesilea, sie, Antje Hochholdinger verausgabt sich in dieser Rolle, ist ihm eine ebenbürtige Gegnerin.
 
Verflucht das Herz, das sich nicht mäß'gen kann
 
Reinhard Friese läßt dieses Wortgebirge alpinen Ausmaßes nur scheinbar vor Troja spielen, der trojanische Krieg dient ihm, und natürlich auch Kleist, als Darstellung durchaus moderner Zustände. Der Kleist’sche Text ist damals wie heute, in seinem Erscheinungsjahr 1808 und jetzt verstörend, und trotz seiner 200 Jahre immer noch modern. Die Weigerung Kleists, für seine „Penthesilea“ Dialoge zu schreiben, führt eben zur Charakterisierung seiner Personen. Alle Emotionen werden runtergefahren, eine kühle Beherrschtheit oder modern „Coolness“, bestimmt die Gefühlslage. Unnahbar sind sie alle, die Griechen wie die Amazonen. Und Penthesilea und Achill umlauern sich wie zwei Wölfe, werden für den anderen zum begehrten Wild, zur Jagdbeute. Hochholdinger und Stickel sind kein romantisches Paar, es geht auch nicht um Liebe, es geht einzig und allein um sexuelle Anziehung, um fatale Begierden, die sich und die Welt vergessen machen.
 
Mein Schwan singt noch im Tod: Penthesilea
 
So kommt auch für beide kein Zusammenleben in Frage, Unterordnung einem Partner gegenüber ist in keinem Lebensplan vorgesehen. Nachdem Penthesilea letztenendes Achilles mit einem Pfeil erschossen hat, zuvor riß sie ihm seine Rüstung vom Leib, öffnet sie seinen
Brustkorb mit ihren Zähnen und verschlingt sein Herz. Mit Achilles‘ blutigem Kadaver geht sie in den Freitod.
Die Worte, die Friese dem Stück an den Schluß stellt, sind aus einem Brief von Henriette Vogel aus dem Jahr 1811, verfaßt kurz vor ihrem und Kleists Freitod. Susanne Mucha gibt den Schwan - eine Rolle, die hinzugefügt wurde - sowohl als romantisierter, als auch als kämpferischer Liebesvogel.

Neben dem kalt beherrschten Odysseus Oliver Hildebrandt und den nahezu emotionslosen Diomedes von Thomas Hary muß man in einem überragenden Ensemble auch Anja Stange als Oberpriesterin der Diana nennen. Entrückt von der Welt mahnt sie, prophezeit sie, erreicht aber nicht den Verstand Penthesileas. Isabel Berghouts Prothoe zeigt die Unmöglichkeit Vernunft gegen Rausch zu setzen, berückend und ergreifend die Szenen zwischen ihr und Penthesilea, wenn Trost und Rettung scheitern.
 
Kleist fordert den Zuschauer heraus und findet in Reinhard Friese einen Regisseur, der seine Welt - und „Penthesilea“ trägt sehr viel Autobiographisches in sich -glaubhaft und spannend inszeniert. Die Vorstellung in der Bayreuther Stadthalle wurde trotz Abstrichen im Bühnenbild zu Recht begeistert gefeiert.
 
Alexander Hauer, besuchte Vorstellung 23.10.2013
 
Weitere Informationen: www.theater-hof.com
 
Redaktion: Frank Becker