Karl May in einer historisch kritischen Prachtausgabe

"Ardistan und Dschinnistan" I + II

von Frank Becker
Auf den Spuren Karl Mays

Das Phänomen Karl May (1842-1912) ist wohl einzigartig in der deutschen Literatur-Landschaft. Wir haben an dieser Stelle ja schon dies und das dazu sagen können. Da Karl May ja nicht nur völlig befreit von Zeitströmungen immer neue Lesergenerationen in seinen Bann zieht, sondern auch mit seinen vielen unterschiedlichen Ausgaben zum Sammlerobjekt geworden ist, wird die von Hans Wollschläger herausgegebene zweibändige Luxus-Ausgabe von "Ardistan und Dschinnistan" wohl auf große Resonanz stoßen.

Das von vielen als sein Opus magnum angesehene Spätwerk Mays, das zwar immer noch ein Reise- und Abenteuerroman ist, durch die Wahl fiktiver arabischer Schauplätze jedoch eine ganz andere Erzähl-Ebene gewinnt, erschien 1907-1909 zunächst als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift "Deutscher Hausschatz". Die spätere Buchausgabe im Freiburger Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld diente der Neuausgabe als Vorbild. In zwei auf feinstem Papier gedruckten Ganzleinen-Bänden mit je einem farbigen Frontispiz von Gustav Krum (*1924) bietet die Ausgabe nicht nur eine nach dem Original-Manuskript von Wollschläger neu transkribierte Textausgabe in der Rechtschreibung der Zeit, sondern durch den historisch kritischen Apparat im Anhang von Band II auch ein für Literaturwissenschaftler höchst aufschlußreiches Dokument zur Rezeptionsgeschichte Karl Mays.

Nun muß sich niemand davor fürchten, einen "wissenschaftlichen" Karl May zu bekommen, denn der Roman hat nicht die berüchtigten Fußnoten anderer historisch kritischer Ausgaben. Den einzigen Unterschied zu früheren Ausgaben macht die dezente Zeilenzählung, die jenen hilft, die sich mit der Sekundär- Betrachtung auseinandersetzen möchten. Im übrigen handelt es sich um einen spannenden Abenteuerroman, der, wenn man das so sehen möchte, durch seine Symbolik
eine mystische Ebene gewinnt, die dichter an den im Alter verbitterten und enttäuschten Autor heranführt, als das vorher je der Fall war. Lange vor Tolkien entwarf Karl May eine Abenteuerwelt, in die man nur über die Literatur und nur im eigen Kopf gelangen konnte.

Die prächtige zweibändige Ausgabe ist mir auch durch das haptische wie optische Vergnügen ihrer Erscheinung besonders jetzt, eingangs der düsteren Jahreszeit, in der man gerne am Ofen sitzt und schmökert, eine Empfehlung wert. Damit kann sich der bibliophile Karl-May-Freund eine große Freude machen. Und ein solider Geschenk-Tip für das nicht mehr ferne Weihnachtsfest ist es ebenfalls.
 
Beispielbild
© Karl-May-Verlag

Karl May
Ardistan und Dschinnistan
Band I + II

Herausgegeben von Hans Wollschläger und Franziska Schmitt.

© dieser Ausgabe Karl-May-Verlag Bamberg · Radebeul 2005/2006

Band I
552 Seiten, Leinen mit Goldprägung und Deckelvignette, Handschrift- Anhang
49,- €

Band II
560 Seiten, Leinen mit Goldprägung und Deckelvignette, umfangreicher editorischer Anhang
49,- €

Weitere Informationen unter:
www.karl-may.de