Über das Umrühren des Kaffees

von Erwin Grosche

Foto © Uwe Nölke
Über das Umrühren des Kaffees
 
Nichts ist schöner als das Umrühren eines Kaffees, wenn draußen die Welt tobt, Kriege erklärt werden, Frauen ihre Nase richten lassen. Man rührt und rührt, macht kalt nun den Kaffee. Man will es und spürt: „Der Kaffee erkaltet, so rührend verwaltet, es kommt Rhythmus auf und Genuß. Man rührt es und spürt es. Bereit ist der Kaffee, bereit ist der Trinker, berührt euch nun endlich zum Kuß“ (hoch gesprochen). „Und was ist mit dem Zucker?“ Schnauze Zucker! Wir rühren den Kaffee, da entsteht Zeit, da entsteht Zauber, da entsteht Veränderung. Das Rühren des Kaffees entschleunigt die Welt. „Danke Kaffee, danke kleiner Löffel, danke Hand, die ihn schiebt.“ Auch wenn sie nichts zu mischen haben, rühren sie den Kaffee. Gerade Menschen, die sonst keinen Sport treiben, können hier aus sich herausgehen. Das Rühren des Kaffees ist unverzichtbar, wenn man sich den Genuß verdient haben will. Mir wurde mal in Köln der Löffel verweigert, weil ich den Kaffee schwarz trinken wollte. Ich will doch nicht mischen, ich will rühren. Man muß sich rühren. Darstellen, daß man lebt. Bewegen wir die Welt. Durchpflügen wir die Meere in einem Einbaum. Drehen wir den Zeiger der Uhr zurück. Das Rühren im Café Röhren. Wir lassen uns dabei nicht stören. Man rührt den Kaffee nicht mit dem Finger. Nimm den Kaffeerumrührlöffel. Dafür ist er da. Das Umrühren eines Kaffees ist der Auftakt eines intimen Kennenlernens. Da läßt jemand sein Leben durcheinander bringen. Kling Klang. Hörst du, wie der Löffel an die Tassenwand schlägt? Ist jemand zu Hause? Da lauschen wir dem schönen „Herein“. Dürfen gleich alle in das Bescherungszimmer treten? Man rührt und rührt und wenn man dann doch mischt, sieht man wie die Milch die Kaffeelandschaft verändert. Da läßt man keine Fliege die Mischung ausstrampeln, das rührt man selbst um. Trinke, du Lump. Zeige, wer Herr im Hause ist. Trinke, du Lump. Du hast es verdient.
 
 
© 2013 Erwin Grosche
Redaktion: Frank Becker