Das bewegte Leben einer distanzierten Frau

Erika Pluhar – „Die öffentliche Frau“

von Jürgen Kasten

Das bewegte Leben einer distanzierten Frau
 
Bücher, auf deren Cover ein Foto des Autors prangt, beinhalten meistens sogenannte Biographien, die nur dem Zweck der Selbstvermarktung dienen. Diese Bücher können Sie getrost in die Tonne kloppen.“ Sogar noch etwas drastischer sagte es Dennis Schenk auf der Frankfurter Buchmesse.
Dem Anschein nach ist „Die öffentliche Frau“ von Erika Pluhar ein solches Buch.
Folgt man Pluhars Erzählung, so wird klar, daß sie tatsächlich eine „öffentliche Frau“ war und noch ist. Von daher muß ihr Konterfei auch auf das Titelblatt. Ich selber habe Erika Pluhar in den 70er, 80er und auch noch den 90er als in den Medien sehr präsent empfunden. Als Schauspielerin, als Sängerin, als Aushängeschild der Frauenbewegung und Aktivistin der Friedensbewegung.
 
Darüber schreibt die inzwischen 74jährige Wienerin. Eigentlich ist es eine Biographie, die sie in ihrem neuesten Werk vorlegt. Mit „Spätes Tagebuch“ hatte sie bereits ein ähnliches Buch veröffentlicht. Hier, im neuen, wendet sie einen kleinen Trick an. Sie empfängt einen fiktiven Journalisten, der einen längeren Bericht über sie in einer Tageszeitung veröffentlichen will. Sie stellt sich seinem Interview in ihrem mit Efeu überwachsenem Haus in Grinzing, in dem sie tatsächlich seit über 40 Jahren lebt, beginnt das Gespräch mit einer Tasse Tee und einer bei ihm geschnorrten Zigarette. So fängt jedes Kapitel an. Nach zwei Wochen in den anfangs sehr reserviert geführten Gesprächen, wird beiden klar, daß es soviel zu erzählen gibt, daß daraus ein Buch werden könnte. Also wird es eines.
Erika Pluhar erzählt von den Anfängen ihrer Schauspielzeit, von Intendanten mit denen sie gerne oder weniger gerne arbeitete, von ihrer Film- und Fernsehzeit, ihrer Zeit als Sängerin und Songschreiberin, Vorzeigedame der Frauenbewegung und Mitstreiterin in der Friedensbewegung. Ein kurzer, salopper Querschnitt ihres Lebens, wobei sie auch Privates nicht ausspart. Immer wieder spricht sie über ihre Männergeschichten, Liaisons, echte Lieben und Ehen, die mehr oder weniger alle scheiterten. Namen nennt sie nicht, deutet vieles nur an. Es ist die Rede von Gewalt, Alkohol, Drogen, Suizid und ihrer Tochter Anna, die irgendwann starb. Auch das nur angedeutet. Weder die reduzierten Schilderungen ihrer Ehe mit dem wegen sechsfachem Mord verurteilten Udo Proksch, noch die mit Andre Heller wird einen voyeuristischen Leser befriedigen. Erika Pluhar hält sich sehr zurück, ist auch im Schreiben distanziert, vorsichtig in dem, was sie preisgeben will. Mehrmals deutet sie an, daß die Medien sie nicht immer wohlwollend behandelt hatten, daß sie öffentlich gemacht werden sollte; aber gar nicht wollte. Es liest sich leicht; aber es klingt viel Wehmut durch, man ahnt die Verletzlichkeit dieser Frau, die im Alter ihren Frieden gefunden zu haben scheint.
 
Da Frau Pluhar mit ihrem imaginären Reporter, sie nennt ihn nur „Herr Redakteur“, sehr distanziert spricht, bleibt das Gesagte, respektive das Geschriebene auch für den Leser auf Distanz. Eine Biographie im Mantel eines Romans. Näher kommt man Frau Pluhar damit nicht.
 
Erika Pluhar – „Die öffentliche Frau“
© 2013 Residenz Verlag, 280 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-7017-1618-0
21,90 €, 27,90 sFr.
 
Weitere Informationen: www.residenzverlag.com