Böser, böser Verfassungsschutz!

Martin Sudermann – „XXX“

von Ludwig Lenis

Böser, böser Verfassungsschutz!
 
November 2010. Zwei Tage nach einem von heftigen Auseinandersetzungen begleiteten Castor-Transport wird die Leiche eines Demonstranten in der Göhrde entdeckt. Holger Becker, 54 Jahre alt, sportlich und kerngesund, soll in einem knöcheltiefen Bach ertrunken sein. Seine Freunde, altgediente Autonome und junge Antiatomkraftaktivisten aus dem Wendland, glauben keine Sekunde an diese Geschichte.“ So weit der Verlag zu Martin Sudermanns „Atomkraft-Krimi“ mit dem schrillgelben Titel „XXX“.

Man muß klarstellen: Um gegen Atomkraft zu sein und vor ihren unabsehbaren Risiken und Folgen zu warnen, muß man kein Radikaler sein. Jeder vernünftige Bürger wird mittlerweile so denken. Daß es Aktivisten gibt, die ihre körperliche Unversehrtheit bei Protesten gegen Castor-Transporte riskieren, ist aller Ehren wert. Die Geschichte, die der Journalist Martin Sudermann in seinem neuen Roman entwickelt, versucht den Spagat zwischen Umwelt-Roman und Krimi. Das klappt aber nicht.

Mit verwirrenden Zeitsprüngen und entsetzlich viel Zeilen füllendem Geschwafel seiner Figuren erzählt er mehr von der beängstigenden Paranoia einer europaweit organisierten und agierenden Anti-Atomkraft-Bewegung, die sich im Krieg mit Energiekonzernen, der Polizei und Geheimdiensten sieht und glaubt, auf Schritt und Tritt überwacht zu werden, als daß er wirklich einen spannenden Kriminalroman vorstellt. Bei der Transparenz des von Sudermann entworfenen Plots ist schon nach kürzester Zeit klar, daß Holger Becker einer hinterhältigen Spitzel-Taktik zum Opfer gefallen sein muß, hinter der natürlich der böse Verfassungsschutz steckt. Und sehr schnell – Sudermann liefert das auf einem Silbertablett – ist gewiß, wer sich als Maulwurf in die Kreise der heillos zerstrittenen edlen Kämpfer für Umwelt und Natur eingeschlichen hat. Falls Martin Sudermann seinen Handlungsaufbau ironisch gemeint haben sollte, wäre ihm galliger Humor zu bescheinigen. Dem wird aber wohl nicht so sein, denn zu viele erhobene Zeigefinger ragen aus dem 236 Seiten starken Buch heraus. Deutlich wird hingegen, wie isoliert und weltfern die beschriebenen Aktivisten zu sein scheinen, wenn es in der Realität denn so ist, wie beschrieben.
Die „Pointe“, wie schließlich dem Spitzel und Mörder vor seiner öffentlichen Enttarnung selber der Hahn abgedreht wird und von wem, setzt der ohnehin kruden Geschichte die schimmernde Krone der Un-Logik auf. Das Buch kann nicht empfohlen werden, allenfalls als Einschlafhilfe oder vorgestrigen Lilalatzhosenträgern mit Pferdeschwanz und selbstgestrickten Pullovern als Vorurteils-Hilfe mit „Siehste!“-Effekt. Ansonsten: Musenblattschuß.
 
Martin Sudermann – „XXX“
Ein Atomkraft-Krimi
© 2013 Sutton Verlag, 236 Seiten, Broschur, 12,- €
 
Weitere Informationen: www.sutton-belletristik.de