Auf den Krieg folgt Frieden und...

Jochen Rausch – „Krieg“

von André Poloczek

Auf den Krieg folgt Frieden und...
 
Jochen Rauschs Roman „Krieg“
 
In den Nächten hört er Schüsse, wenn es denn Schüsse sind.“, mit diesen Worten beginnt Jochen Rauschs Roman „Krieg“. Schon der erste Satz vermittelt ein präzises Bild dessen, was den Leser erwartet. Sowohl sprachlich, wie auch thematisch. Die Dunkelheit der Nacht, in der sich nicht alles erkennen lässt. Schüsse, nicht ein einzelner Schuß; wer schießt nachts, wenn das Licht gar nicht ausreicht, um das Ziel klar zu erkennen und auf wen oder was wird geschossen – wird überhaupt geschossen?
Er, das ist der ungefähr 50jährige Protagonist Arnold Steins, hat sich in eine Berghütte zurückgezogen; die Ausstattung der einfachen Behausung hat er von deren Vorbewohner, einem Bildhauer, übernommen, und ein Radio ist das einzige Medium, mit dem er Kontakt zur Außenwelt hält. Von wenigen Einkaufsfahrten ins tiefer gelegene Dorf abgesehen. Ein Hund ist sein ständiger Begleiter.
Doch führt der Autor nicht in eine idyllisierte Bergwelt, in der ein zivilisationsmüder Aussteiger seine Einsiedelei lebt. Die Hütte ist Arnold Steins’, in einer eiskalten und steinernen Umgebung gelegener, Schutz- und Fluchtraum. Auch sie ist nicht sicher. Ein Unbekannter verwüstet die Hütte, zerschlägt vieles und vor allem das Radio. Der Hund wird durch einen Bolzenschuß lebensgefährlich verletzt.
In einer zweiten, parallel erzählten Zeitebene erfahren wir die Vorgeschichte Steins’. Eine Vorkriegs – und Kriegsgeschichte. Die Geschichte von Arnolds Sohn Chris, der als Soldat nach Afghanistan gegangen ist. Der seinem Vater E-Mails aus dem Krieg schreibt, von der die Mutter nichts erfährt. Sie soll nicht beunruhigt werden durch das, was ihr Sohn in diesem Krieg erlebt. Chris wird diesen Krieg nicht überleben.
Doch steht der Romantitel nicht nur für die militärische Gewalt in Afghanistan – Rausch erzählt von zwei Kriegen – einem weiteren nämlich, den Steins in der Gegenwart zu kämpfen hat. Gegen einen unsichtbaren Gegner, der vor keiner grausigen Tat zurückschreckt. Das ist ein Krieg, dessen Ursprung weit in die persönliche Vergangenheit zurückreicht.
 
Rauschmittel
 
In ungemein knapper und genauer Sprache führt Rausch seine Leser über mörderisches Terrain. Doch war es nach Bekunden des Autors nicht so sehr seine Arbeit als Radiomann (der Journalist, Autor und Musiker Rausch ist seit 2000 Programmchef vom WDR-Jugendsender 1live), die ihn zu diesem lakonischen Stil geführt hat – vielmehr, sagt er, war es seine Arbeit als Fernsehreporter: „Wenn Du nur eine Minute dreißig hast, da kannst Du nicht anfangen zu schwafeln!“ Ähnlich wie bei dieser Art des journalistischen Schreibens, bei der alles Überflüssige gestrichen wird, ist der Autor auch an die Überarbeitung des Romans gegangen. Darin folgt er auch einem seiner literarischen Vorbilder, Elmore Leonard. Der formulierte als letzten von zehn Tipps zum literarischen Schreiben: „Versuche alles wegzulassen, was der Leser überblättert!“ In „Krieg“ gibt’s tatsächlich nichts zu überblättern und ähnlich wie bei der vorangegangen Buchveröffentlichung „Trieb – 13 / Storys“ ist das, was Rausch erzählt, geeignet, sensiblen Lesern den Nachtschlaf zu rauben, oder zumindest für sehr beunruhigende Träume zu sorgen. Daran ändert auch der Schluss des Romans nichts, der zwar nicht mit dem Krieg versöhnt - wie sollte er auch – der aber zumindest die Perspektive eröffnet, daß auf Krieg immer Frieden folgt.
 
Jochen Rausch – „Krieg“
Roman
2013 Berlin Verlag, 256 Seiten
ISBN-13: 9783827011695
 
18,99 € [D] | 19,60 € [A]
 
Weitere Informationen: www.berlinverlag.de  -  www.jochenrausch.com