K(l)eine Seitensprünge

Anita Kupsch brilliert als „Die Perle Anna“

von Frank Becker

Anita Kupsch - Foto © Thomas Grünholz
K(l)eine Seitensprünge
 
Anita Kupsch brilliert als
„Die Perle Anna“
am Essener Boulevard
 
Es ist wohl völlig gleichgültig, ob sie in Berlin, Düsseldorf, München oder Essen spielt und seit wie vielen Jahren sie das tut – Anita Kupsch ist und bleibt die Berliner Pflanze in Reinkultur, eine kesse Motte, Ausbund an herrlich fröhlicher Frechheit, Herz mit Schnauze und mit der Ausstrahlung völlig altersloser Jugendlichkeit. Wer die nicht augenblicklich ins Herz schließt, hat vermutlich keins.

Derzeit ist Anita Kupsch in einer ihrer vielen Paraderollen im Essener „Theater im Rathaus“ zu sehen, als „Die Perle Anna“ (Koproduktion mit der Berliner „Komödie am Kurfürstendamm“), einem Stück von Marc Camoletti, dessen „Boeing Boeing“ eine der erfolgreichsten Boulevard-Komödien überhaupt ist. Hier nun setzt sich das im Genre beliebte Spiel um die Liebe, die Ehe und kleine Seitensprünge und Lügen mit den erforderlichen vielen Türen, dummen Ausreden und schrecklich unglaubhaften, jedoch äußerst charmanten Lösungen amüsant fort. Soviel ist klar: es ist ihr Stück, eine wie Anita Kupsch wächst nicht auf Bäumen und kann nicht kopiert werden. Also ist sie auch der Kern- und Angelpunkt des turbulenten Tohuwabohus dieser wie ihr auf den zierlichen Leib geschriebenen Komödie.


Kleine Vergeßlichkeiten haben ihren Preis... - Anita Kupsch, Adisat Semenitsch - Foto © Thomas Grünholz
 
Kleine Lügen und unentschlossene Liebhaber
 
Nur ganz kurz zur austauschbaren Handlung: während sich bei dem verheirateten, ein wenig hochstapelnden Schauspieler Bernhard (Christoph Schobesberger) urplötzlich Jasminka (Nina Juraga), sein ahnungsloser jugendlicher Internet-Flirt aus Rußland mit Eheabsichten einquartieren will, hat Bernhards Ehefrau Claudia (Adisat Semenitsch), die ihrerseits ein wenig tiefstapelt die Absicht, einen Seitensprung mit den Ringer Emmeran (Thorsten Hamer) zu wagen. Beide geben vor zu verreisen, wollen aber jeweils die eheliche Wohnung für ihren Ehebruch nutzen. Daß die Perle Anna nicht wie geplant ein paar Tage frei genommen hat, verkompliziert und rettet die Situation zugleich.
Worauf es wie stets in solchen Stücken ankommt, sind Tempo und Präzision. Das Tempo nimmt in der Inszenierung von Marcus Ganser zwar nur langsam Fahrt auf, doch als der Zug einmal rollt, fallen die Pointen im Minutentakt, zeigt Anita Kupsch, wo Bartel den komödiantischen Most holt und berlinert mit präziser Stichwort-Disziplin und lässigem Extemporé herzerwärmend drauflos. Thorsten Hamer als der etwas schwerfällige (verhinderte) Liebhaber der (beinahe) ungetreuen Ehefrau setzt mit Mut zum Bauch amüsante kölsche Akzente, gelegentlich mit einem Hauch von Heinz Erhardt – kein Wunder, ist dessen „Noch´n Gedicht“ doch sein Erfolgs-Solo-Programm. Die zauberhafte Nina Juraga hat spürbar mehr „drauf“ als die überdrehte russische Rolle von ihr verlangt. Christoph Schobesberger gibt den alternden Bonvivant mit Skrupeln und wachsenden Selbstzweifeln, Adisat Semenitsch eine erst wild zum Sex entschlossene, dann doch zaghaft unentschlossene Frau in den „besten Jahren“.


„Putze" mit Geschmack - Nina Juraga, Anita Kupsch, Christoph Schobesberger - Foto: „Theater im Rathaus" Essen
 
Mit Herz und Chuzpe
 
Daß das trotz seiner anrüchigen Thematik und einiger deftiger Ringergriffe äußerst züchtige Stück eben nicht von Schlüpfrigkeiten, sondern von seiner Situationskomik lebt, macht es liebenswert. Und daß Anita Kupsch die einem Schlückchen aus der Pulle und einem kleinen Zuverdienst nicht abgeneigte Haushälterin mit dem Herzen auf dem rechten Fleck gibt, adelt es. Da verzeiht man auch den mächtig übers Knie gebogenen Schluß. Wie sie es mit viel Chuzpe schafft, wieder Ordnung ins häusliche Chaos zu bringen, sollte man sich anschauen, „Die Perle Anna“ wird im Essener „Theater im Rathaus“ bis zum 19.10.2013 en suite gespielt.
 
Weitere Informationen: www.theater-im-rathaus.de