Menschen mit Problemen

von Karl Otto Mühl

Menschen mit Problemen
 
Heute Morgen ging es in der Bäckerei turbulent zu. Ein strammer, jüngerer Handwerksmeister berichtete, daß er die Osterfeiertage zu Hause herumsitzen würde. Einmal, wegen der schlechten Auftragslage, die ihn mißlaunig mache, zum anderen, weil er getrennt und allein lebte. Ich kann ihm natürlich nicht fragen, ob es da individuelle Gründe gibt.
Auch leidet er darunter, daß man in Deutschland nicht sagen darf, daß man stolz auf sein Land ist, weil man dann gleich als rechtsradikal gilt. Ob er den Unterschied zwischen Stolz und Heimatliebe kenne, wird er gefragt. Ich glaube, er versteht die Frage nicht.
 
Vera, eine junge, resolute, Putzfrau, erklärt, wie sie mit gewalttätigen Männern umgeht. Sie dürfte da Erfahrung haben, denn sie erwähnt auch, daß sie bereits zweimal geschieden ist. Einen dieser Männer hat sie in einem solchen Fall in den Schritt getreten, und dabei sei der Inhalt des Hodensacks verrutscht. Seitdem sei sie wegen ihrer Treffsicherheit gefürchtet.
 
Die Hauptbäckerin, in Slowenien geboren, schaltet sich ein. Sie finde, daß es hier im Land zu wenig Familien-Zusammenhalt gebe. Jetzt, an den Feiertagen, rückten die Familien  bei ihr zuhause enger zusammen, feierten zusammen, seien immer füreinander da; auch wohnten sie, wenn möglich, zusammen, Alt und Jung, verheiratet und ledig.
Ich bemerke dazu, daß ich aus den Büchern von Safeta Obhodjas wisse, wie das von nahe aussähe. Die Frauen gelten weniger, haben selten die Gelegenheit, selbstständig zu leben und für sich zu sorgen, weniger Möglichkeiten zur Ausbildung. Mir fallen dazu Bilder von vor hundertundfünfzig Jahren bei uns ein, wo unverheiratete Mädchen geduldet im Hause ihrer Brüder oder anderer Angehöriger lebten.
„Was wir erleben, ist der Preis der Freiheit“, sage ich. „Was wir auch machen, so richtig kriegen wir es eben nicht hin.“ Ich denke an einen philosophischen Satz, den ich einmal hörte: „Ein Problem kann nie auf der Ebene, auf der es entsteht, gelöst werden.“
Aber was wäre hier die Ebene, auf der Freiheit und Solidarität zusammen auftreten können?
 
Aber ich will hier nicht den Missionar spielen.
 
 
 
© 2013 Karl Otto Mühl
Erstveröffentlichung in den Musenblättern