Protokoll einer Theaterposse

Nur Dummheit oder Pressezensur?

Red./Bec.


Protokoll einer Theaterposse
 
Das kuriose Protokoll einer Theaterposse, die man leider nicht lustig nennen kann, weil sie soviel Arroganz und nachgerade tragische Ignoranz  in sich birgt, ist uns zu Ohren gekommen: der Pressesprecher der Salzburger Osterfestspiele hat dem akkreditierten Journalisten eines namhaften deutschen Opermagazins die für eine Aufführung zugesagte Pressekarte wieder entzogen, weil ein anderer (zahlender) Opernbesucher für ein notabene anderes (österreichisches) Medium bereits über das nämliche Stück berichtet hatte und das nun betroffene Opernmagazin so „leichtsinnig“ war, dessen freundlicherweise überlassenen Text im Rahmen eines der Meinungsvielfalt dienenden Austauschs zu übernehmen. Diese Vielfalt soll wohl auf Biegen und Brechen verhindert werden. Wir nennen das schlicht Pressezensur und erklären uns mit dem Magazin „Der Opernfreund“ solidarisch. Von einem solch peinlich ungeschickten Pressesprecher sollte sich nach unserer Auffassung ein seriöses Theater leichten Herzens trennen.
 
Hier nun das oben erwähnte Protokoll im Wortlaut der Beteiligten:


OSTERFESTSPIELE SALZBURG: FIASKO UND SELTSAME GEBARUNG BEI PRESSEKARTEN

Eine seltsame Kunde erreicht uns aus Salzburg. Der dortige Leiter des Pressebüros der Osterfestspiele, Mag. Martin Riegler, entzog einem Mitarbeiter des Magazins "Der Opernfreund" (www.deropernfreund.de) eine bereits seit Monaten schriftlich zugesagte Pressekarte, weil sich ein anderer Rezensent eine Karte zum Vollpreis gekauft und über die Vorstellung berichtet hat - übrigens verfasste er die wohlwollendste Besprechung über die Arbeit des Regisseurs Michael Schulz.

Die Begründung war "in erster Instanz" derart "hopatatschig", dass ich sie hier nicht widergeben möchte, der Pressesprecher soll ja nicht öffentlich blamiert werden. Daraufhin versuchte Herr Dr. Langer vom "Opernfreund" die wahren Beweggründe für den Entzug der Pressekarte herauszufinden.

Sehr geehrter Herr Magister Riegler,

ich schreibe Ihnen als Vertreter des Herausgebers des Opernfreunds.

Ihre Entscheidung, die Pressekarten für unseren Kritiker Rüdiger Ost zurückzuziehen, ist für uns gar nicht nachzuvollziehen und die Argumentation, die dazu geführt hat, erst recht nicht.

Herr Ost hatte bereits 2012 von den Salzburger Osterfestspielen berichtet und wurde schon im Sommer letzten Jahres von Ihnen für den Parsifal 2013 (Vorstellung am 01.04.) akkreditiert.

Herr Dr. Lacina hat Sie kurzfristig vor zwei Wochen um eine Pressekarte für die Premiere der gleichen Vorstellung ersucht. Sie konnten diesem Wunsch nicht folgen, weil Sie für ein Medium für eine Produktion nur eine Pressekarte gewähren. Dem ist gar nichts hinzuzufügen; das sind die Usancen Ihres Hauses. Steuer- oder Regiekarten geben Sie nicht aus. Auch das ist vermittelbar und gehört zu ebenfalls zu Ihren Usancen. Herr Dr. Lacina hat sich nun kurzfristig eine Vollpreiskarte für die Vorstellung erworben und dennoch eine Kritik verfasst, allerdings für den „Neuen Merker“, der uns aufgrund der langjährigen guten Beziehungen die Übernahme in den Opernfreund gestattet hat. Diese Kritik ist gestern im Opernfreund erschienen, was auch in unserem Bestreben liegt, über wichtige Ereignisse in der Welt der Oper auch zweifach zu berichte.

Mit der Begründung, dass nur eine, und nicht zwei Pressekarten für ein Medium für gleiche Produktion vergeben werden, haben Sie gestern Abend die Karte für Herrn Ost einseitig storniert, womit Sie nicht, zwei, nicht eine, sondern gar keine Pressekarte vergeben haben. Wo sind da die Usancen geblieben und die Logik? Es ist uns noch nicht passiert, dass ein Haus überhaupt schon einmal eine bereits fest gewährte Pressekarte einseitig storniert hat – und schon gar nicht ohne begreifbare Begründung können wir das akzeptieren.

Ich bitte Sie dringend, Ihre Entscheidung zu revidieren. Schließlich hat Herr Ost hatte seine Reise inkl. Transport und Unterkunft schon langfristig geplant.

Gerne erwarten wir Ihre diesbezügliche Antwort.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Manfred Langer, „Der Opernfreund“

Herr Mag. Martin Riegler, Pressesprecher der Osterfestspiele, präzisierte daraufhin seine Entscheidung:

Sehr geehrter Herr Langer,

ich sollte in der Tat meine Argumentation, warum ich die Pressekarte für Herrn Ost als leider nicht vertretbar erachte, revidieren bzw. präzisieren; ich ersuche um Nachsicht für meine zuvor ungenaue Formulierung gegenüber Herrn Ost.

Auf der Website www.deropernfreund.de erschien eine Rezension des „Parsifal“. Die von Ihrem Korrespondenten Herrn Lacina explizit für eine Rezension auf dieser Website – und nicht für den Neuen Merker! - angefragte Pressekarte hatte ich abgelehnt aus Rücksicht auf Ihren anderen Korrespondenten, Herrn Ost, weil dieser sich bereits für dasselbe Medium akkreditiert hatte. Herr Lacina hat - in Kenntnis meiner negativen Antwort - offensichtlich eine Kaufkarte erworben und eine Rezension verfasst, die Sie veröffentlichten.

Sie schreiben von Usancen. Ich darf festhalten, dass es nicht den Usancen entspricht, über dieselbe Opernproduktion im selben Medium zwei Kritiken herauszubringen, und das auch nicht sachlich begründbar erscheint.

Wenn jemand eine Kaufkarte erwirbt und dann eine Kritik verfasst, ist das eine Entscheidung des Kartenkäufers. Wir haben ein Beispiel, wonach eine Journalistin seit vielen Jahren als Fördererin der Osterfestspiele Salzburg ihre Karten käuflich erwirbt und dennoch für eine bedeutende Tageszeitung Rezensionen verfasst. Auch diese Zeitung bekommt von uns keine Pressekarte zusätzlich (und hat auch gar nicht um eine gebeten), weil die Berichterstattung durch die zahlende Journalistin bereits abgedeckt ist.

Ich ersuche um Verständnis, dass die Osterfestspiele Salzburg nicht die Folgen eines offenkundigen Kommunikations- bzw. Koordinationsproblems innerhalb Ihrer Redaktion tragen können.

Mit freundlichen Grüßen,

Martin Riegler

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Mag. Martin Riegler
Presse & PR
Osterfestspiele Salzburg GmbH
Herbert-von-Karajan-Platz 9

Im Klartext, weil sich ein anderer Kritiker eine Karte selbst gekauft und über die gesehene Vorstellung eine Rezension verfasst hat, wird einem weiteren Rezensenten eine bereits lange schriftlich bestätigte Pressekarte entzogen.

Die Zusage der Karte entspricht einem Vertrag. Im guten Glauben hat der Rezensent ein Hotel in Salzburg gebucht und auch die Bahnfahrkarten gekauft. Diese Auslagen werden nun gerichtlich eingeklagt, zumal der Vertrag seitens der Osterfestspiele einseitig gebrochen wurde

Was hat nun der "Online-Merker" damit zu tun? Erstens sind wir mit den Kollegen von Opernfreund befreundet, zweitens hat der "voll zahlende" Rezensent, Dr. Harald Lacina (übrigens Richter), seine Rezension für den "Online-Merker" geschrieben, der "Opernfreund" hat diese lediglich vom Online-Merker übernommen. Und drittens entspricht es dem "System Merker", von ein und derselben Vorstellung auch mehrere Berichte von verschiedenen Berichterstattern zu veröffentlichen. Das ergibt unserer Ansicht nach die Garantie für eine faire Berichterstattung.

Für uns ist einsichtig, dass für ein preislich derart hochkarätiges Festival für ein Medium nur eine Pressekarte vergeben wird. Wenn sich aber ein Rezensent seine Karte kauft, hat dies das Pressebüro in keiner Weise zu tangieren. Wenn schon von Usancen die Rede ist, die Bocksprünge des Salzburger Oster-Pressesprechers entsprechen nicht den Usancen einer seriösen Gebarung (einseitiger Bruch eines Vertrages ohne schuldhaftes Verhalten des Vertragspartners) - und von nachvollziehbarer Logik sind sie weit entfernt!

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Mit meiner persönlichen Meinung über Festspiele halte ich nicht hinter dem Berg, ich bin ein deklarierter Gegner von Festspielen. Zu meist stark erhöhten Preisen werden Leistungen verkauft, die sich nicht wesentlich von denen der Theater im normalen Spielbetrieb unterscheiden. Ich bin ein Festspielmuffel - und stehe dazu! Das darf allerdings nicht die Berichterstattung über Festspiele in irgend einer Weise schmälern, wenn sich Rezensenten finden, die auf eigene Kosten Fahrt und Aufenthalt zu bzw. während der Festspiele aus eigener Kassa bezahlen (eventuell zugestandene Pressekarten entsprechen ja nur zu einem geringen Teil den tatsächlichen Spesen), haben diese meine volle Unterstützung. Die Vorankündigung von Festspielen ist wiederum ein Service für unsere Leser. Pressesprecher sind eigentlich dazu da, eine reibungslose Berichterstattung zu ermöglichen, nicht Schwierigkeiten dort zu bereiten, wo ohne Zutun des Pressesprechers gar keine Schwierigkeiten gegeben wären. Wer dies anders sieht, ist offenbar im falschen Bereich eingesetzt!

A.C.